Bevölkerungsentwicklung:Wenn jedes Jahr eine ganze Kreisstadt nach München zieht

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Klicken Sie auf das Bild, um die ganze Grafik zu öffnen. SZ-Grafik (Foto: N/A)

Der Zuzug belastet den Haushalt enorm, weil München bei Wohnungen und Infrastruktur Schritt halten muss.

Von Heiner Effern

Die Grünen im Münchner Stadtrat stellen ihre Oppositionskritik je nach Thema gerne unter ein plakatives Motto. Eine ganze Serie von Anträgen zur Zukunft der Stadt läuft unter dem Titel "Die fetten Jahre sind vorbei". Das klingt in einer der reichsten Großstädte der Welt geradezu grotesk. Kämmerer Ernst Wolowicz verkündete für das laufende Jahr 2016 gerade Rekordeinnahmen. Alleine die Erlöse aus der Gewerbesteuer belaufen sich auf 2,5 Milliarden Euro.

Dennoch treffen die Grünen mit ihrem Motto den Nerv der Zeit. Denn so viel Geld kann die Stadt gar nicht einnehmen, wie sie sofort wieder ausgeben muss. Es wird eng im Haushalt der Stadt, vom Jahr 2018 an wird die Stadt wohl wieder Schulden machen müssen. Der Hauptgrund dafür liegt auf der Hand: Jedes Jahr zieht derzeit eine komplette Kreisstadt mit 20 000 bis 30 000 Einwohnern neu nach München. Die derzeit vorliegenden Prognosen sagen gut 1,7 Millionen Einwohner im Jahr 2030 voraus. Doch die Stadt rechnet intern bereits mit deutlich höheren Zahlen.

Die Menschen brauchen Wohnungen, Schulen, Parkplätze, Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Sporthallen und noch vieles mehr. Das meiste davon muss die Kommune stellen, und schon jetzt ist festzustellen: Sie hinkt dem Bedarf hinterher.

Die Folgen eines eisernen Sparkurses

Das hat vielschichtige Gründe, manche liegen auch in der Vergangenheit, als die Grünen selbst noch Juniorpartner der SPD und von deren Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) waren. In den letzten Jahres des Bündnisses wurde eisern gespart, was zu sensationell niedrigen Schulden im Moment führt. 498 Euro Miese pro Kopf hat die Stadt, so wenig wie letztmals 1982. Doch das ging auch auf Kosten des städtischen Wohnungsbaus, das jährliche Ziel von etwa 7000 neuen pro Jahr wurde unterschritten.

Die Schulen sind in einem so miserablen Zustand, dass bis 2030 knapp zehn Milliarden Euro in Sanierungen und Neubauten fließen müssen. Beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs herrschte weitgehend Stillstand.

Seit 2014 regiert nun Rot-Schwarz im Rathaus. Die beiden Parteien konzentrierten sich die ersten beiden Jahre darauf, Wahlversprechen einzuhalten. Vom Weiterbau der U 5 nach Pasing über den Tunnel an der Landshuter Allee bis zur Sanierung des Gasteigs, des Volkstheaters und des Stadtmuseums wurden viele teure Projekte auf den Weg gebracht. Doch wenn es in den kommenden Jahren um die Finanzierung geht, werden beide schnell merken, dass die fetten Jahre tatsächlich vorbei sind.

Verteilungskämpfe um begrenzte Ressourcen, die für immer mehr Einwohner ausreichen müssen, werden ausbrechen. Der Kampf ums Geld, um Wohnungen, um Grünflächen, um Kita-Plätze. Die Rathausmehrheit muss richtige Prioritäten setzen: die Schulbauoffensive etwa oder das Ziel von 10 000 neuen städtischen Wohnungen pro Jahr. Doch das kann nur der Anfang dafür sein.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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