Besonderes Wohnprojekt:Miteinander ankommen

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In dem früheren Firmengebäude an der Berg-am-Laim-Straße sollen von April 2016 an 330 Flüchtlinge in Wohngruppen leben. (Foto: Angelika Bardehle)

In einer Flüchtlingsunterkunft in Berg am Laim sollen Jugendliche mit Älteren und Familien in gemischten Wohngruppen zusammenleben und sich so gegenseitig unterstützen. Die Stadt spricht von einem Modellprojekt, das auch bei der Integration helfen soll

Von Inga Rahmsdorf

Es muss schnell gehen bei der Suche nach leer stehenden Gebäuden für Flüchtlinge, oft zu schnell: Da bleibt kaum Zeit, um über Grundsätzliches nachzudenken. Etwa über die Frage, was sinnvolle Projekte sind abseits von großen Gemeinschaftsunterkünften in Containern oder Leichtbauhallen. Oder über Wohnformen für Flüchtlinge, die dazu beitragen könnten, dass die Menschen sich gut in München integrieren. "Wir müssen aus dem Krisenmanagement herauskommen und wieder gestalten", sagt Rudolf Stummvoll, der Leiter des städtischen Amtes für Wohnen und Migration. Eine Chance dafür sieht er in einem Modellprojekt an der Berg-am-Laim-Straße 127 bis 129.

In zwei ehemaligen Gewerbegebäuden sollen hier insgesamt 330 Flüchtlinge in mehreren Gruppen untergebracht werden. Die Stadt habe bisher nur gute Erfahrungen mit solchen Mischprojekten gemacht, sagt Sozialreferentin Brigitte Meier. Beispielsweise beim Zusammenleben von Studenten und Flüchtlingen. Das Projekt an der Berg-am-Laim-Straße aber ist in dieser Konstellation neu in München: Unbegleitete Minderjährige, Familien, alleinerziehende Mütter sowie behinderte und ältere Bewohner sollen in den zwei Gebäuden miteinander leben - allesamt Flüchtlinge, die sich aber in jeweils unterschiedlichen Lebenssituationen befinden. Eine solche Mischung könne für alle Seiten von Vorteil sein, sagt Florian Fritz. Er leitet den Fachbereich für Wohnen und die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Die jungen Menschen würden sich oft über Familienanschluss in ihrer Nähe freuen und mit den Kindern spielen, sagt er. Umgekehrt seien die jungen Flüchtlinge meist Vorbilder für die Familien und würden bei der Integration helfen, weil sie schnell Deutsch lernen und Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Und die pflegebedürftigen Bewohner könnten Unterstützung im Haus bekommen.

Im Bezirksausschuss (BA) Berg am Laim hatte es zunächst Unruhe gegeben, als die Stadtteilpolitiker hörten, dass eine große Unterkunft an der Berg-am-Laim-Straße geplant sei. "Wir dachten, es sei eine normale Gemeinschaftsunterkunft", sagt Robert Kulzer (SPD), BA-Vorsitzender. Das leer stehende Bürogebäude hat bereits eine turbulente Vorgeschichte: Ein Investor wollte vor einigen Jahren ein Billig-Hotel mit Minimalstandards realisieren, die Anwohner protestierten. Dann wurde ein anderes Hotel genehmigt, doch nie gebaut. Nachdem die BA-Mitglieder nun mehr von dem neuen Projekt erfuhren, beruhigten sie sich: "Nun tragen wir das Projekt mit und sind uns sicher, dass es an dem Standort gut funktioniert", sagt Kulzer.

Die Gesamtleitung des Hauses wird vom Sozialreferat übernommen, in das Projekt sind aber mehrere Träger eingebunden. Es werde rund um die Uhr eine umfangreiche sozialpädagogische Betreuung geben, versichern Meier und Stummvoll. Zudem ist eine Kooperation mit dem benachbarten Alten- und Service Zentrum (ASZ) vorgesehen. Auch bräuchten sich die Nachbarn keine Sorgen machen, dass ihnen Flüchtlinge die knappen Schul- oder Kitaplätze streitig machen könnten, denn für die Kinderbetreuung werden in dem Projekt selbst Erzieher arbeiten, und Schulkinder werden zunächst Übergangsklassen besuchen.

Zudem sollen das Gebäude und seine Bewohner in das soziale Leben der Nachbarschaft mit einbezogen werden, sagt Stummvoll - zum Beispiel, indem die benachbarte Schule bei bedarf ebenfalls den großen Veranstaltungsraum im Erdgeschoss des Vorderhauses nutzen darf. Auf der Dachterrasse des Rückgebäudes ist zudem ein Garten geplant, in dem die Bewohner selbst Gemüse anpflanzen können. Und auf der Dachterrasse des Vordergebäudes soll ein Basketballplatz errichtet werden. Die ersten Bewohner können wahrscheinlich im April 2016 einziehen. Stummvoll hofft, dass das Projekt dann der Stadt als Musterbeispiel dienen kann, um weitere innovative Konzepte in der Flüchtlingsunterbringung zu entwickeln.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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