Besondere Erinnerung:Banzen und Ranzen

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Schulminister Spaenle jobbte nach dem Abi als Bieraufschreiber

Interview von Kassian Stroh

Ludwig Spaenle hatte gerade Abitur gemacht, als er im Jahr 1980 das erste Mal auf der Wiesn arbeitete: als Bieraufschreiber im Hofbräuzelt. Sechs Jahre lang machte das der heutige Kultus- und Wissenschaftsminister.

SZ: Herr Spaenle, was bitte macht ein Bieraufschreiber?

Ludwig Spaenle: Damals gab es im Hofbräuzelt noch Bierfässer, also Banzen und Hirschen. Weil die nicht normiert waren, hatte jedes Fass eine Nummer und eine eigene Literzahl. Und diese Zahl musste ich ermitteln und aufschreiben. So wurde festgestellt, wie viel Bier angeliefert wurde.

Ein gemütlicher Ferienjob?

Das war sehr sportlich, bei sechs oder sieben Schänken, da war ich den ganzen Tag auf den Füßen. Ich war der einzige Bieraufschreiber und zehn bis 14 Stunden am Tag im Einsatz - immer im Blick des Wirtes.

Ja, klar, wenn Sie was falsch aufgeschrieben hätten, hätte die Abrechnung mit der Brauerei nicht gepasst.

Die Brauerei hat natürlich selber gerechnet und eigene Lieferscheine gehabt. Ich war die Gegenkontrolle für den Wirt. Und das Entscheidende war, dass der Wirt am Ende des Tages wusste, wie viel Bier an dem Tag ausgeschenkt wurde.

Sie haben also Insiderwissen. Verraten Sie uns Laien, wie viel Mass man aus so einem 200-Liter-Fass kriegt?

Mehr.

Wie viel mehr?

Das hängt vom Künstler ab, der das Fass bedient.

Was schaffen die richtig guten Künstler?

Einige Prozent plus X sind da sicher möglich. Aber das hängt auch davon ab, wie es läuft. Wenn an einem Samstag viel los ist, ist die Geschwindigkeit rasend schnell. Schauen Sie, es ist doch so: Eine bayerische Mass ist etwas Gutes und das Bier ist frischer, wenn man manchmal nicht genau einen Liter hat. Aber inzwischen zeigen die ganzen Kontrollen ja auch, dass sich da was verändert hat.

Früher war die Schankmoral schlechter.

Diesen Satz muss man nicht beweisen, das weiß man.

Heute kommt das Bier aus Tanks, der Bieraufschreiber ist einer der vielen Berufe, die wegrationalisiert worden sind.

Absolut. Genau wie die Ganterer - das sind die, die die Fässer aufstellen. Nur beim Augustiner müsste es die noch geben, da gehe ich mal von einer traditionsbewussten Brauerei aus. Ansonsten fällt das alles weg. Aber das war keine Folklore, das war prügelharte Arbeit.

War sie wenigstens gut bezahlt?

Für einen Studenten wirklich ordentlich, ja. Und die Wiesn ist ein spannender Ort zum Arbeiten - man schuftet wahnsinnig viel, aber es gibt auch eine große Gemeinschaft. So eine Zeltbesatzung: die Schankkellner, die Bedienungen, die Ganterer, die Kriaglwascher, die Küche. Das Schönste ist die Nachfeier, am letzten Abend, wenn das Zelt leer und aufgeräumt ist. Das ist wunderschön, wenn sich alle noch einmal zusammensetzen. Das macht die Wiesn aus.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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