Benefiz:Stimmen für ein Netzwerk

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Musiker engagieren sich in einer Selbsthilfegruppe

Von Dirk Wagner, München

Dass in der Weihnachtszeit nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung zwei- bis dreimal so viel gespendet wird wie im restlichen Jahr, mag man zu den Weihnachtswundern zählen. Als weiteres Wunder mag gelten, dass Musikliebhaber drittklassige Schlager in die Hitparade hieven, nur weil diese für einen guten Zweck von Popstars im Kollektiv gesungen werden. Nun gibt es zum Glück aber auch gute Konzerte und Songs, deren Einnahmen Musiker großzügig spenden. Selbst in diesem Corona-Jahr, das den Künstlern mit den Auftrittsmöglichkeiten ihre Haupteinnahmequelle nahm, spendeten viele Musiker das über ihre Online-Konzerte gesammelte Geld. Dabei wäre der Erhalt ihrer eigenen Arbeitskraft und damit auch der einer Kultur, die die Gesellschaft nutznießt, selbst ein guter Zweck, der aktuell auf Spenden angewiesen ist.

Die nötige Spendenbereitschaft haben viele Besucher der Abstandskonzerte in diesem Sommer ohnehin signalisiert, als sie dort mehr Tonträger als sonst kauften. Das behaupten zumindest 20 Musikerinnen und Musiker auf ihrer Internetseite stillekunst.de , die zusammen mit dem bayerischen Trio Lost In A Bar die "Selbsthilfegruppe Kultur Bayern" gründeten. Als diese Selbsthilfegruppe jüngst unter dem Namen Liab & Die Selbsthilfegruppe einen gemeinsamen "Corona-Song" aufnahm, gesellte sich ihr noch der niederbayerische Filmemacher Benjamin Strobel hinzu, dessen erster Kinofilm "Restguthaben" heuer der Pandemie zum Opfer fiel. Er drehte nun das Video zum Song, den die Musiker in einem Studio hygienestrategisch einzeln nacheinander eingespielt hatten. Das Ergebnis zelebriert ein fröhliches Miteinander, das nicht gewillt ist, in der Pandemie auch noch die Depressionen zu füttern. Stattdessen trotzen die beteiligten Musiker auch der eigenen prekären Situation mit einem stimmungsaufhellenden Song darüber, wie "ma hoid as Beste aus der saudumma Zeit" macht. Die Mittelaltersängerin Mika Morgenstern von Des Teufels Lockvögel fingert zum Beispiel Farbe in ihr Haar. Die Jazzsängerin Miriam Anders singt unter der Dusche. Und die Sängerin Karima Ismael spielt Ukulele im Park.

Letztere ist bislang nur als Gastsängerin mit Lost In A Bar aufgetreten. Als sie das Ensemble nun bei den Aufnahmen in Flo Streitwiesers Studio unterstützte, entwickelte sich Neues: Streitwieser produziert nun zusammen mit Lost In A Bar eine erste Single von Karima Ismael. "Überhaupt leistet unsere Selbsthilfegruppe jetzt schon eine wunderbare Netzwerkarbeit", sagt der Liab-Schlagzeuger Andy Kuhn. Die Einnahmen, die Liab & Die Selbsthilfegruppe über Spenden und Download-Verkäufen ihres "Corona-Songs" erhalten, werden auf alle Beteiligten verteilt. Mit solcher Selbsthilfe versucht die Gruppe, sich ein Stück unabhängig von der für sie zuständigen Politik zu machen.

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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