"Ben Hur live" in München:Otternasen fürs Volk

Lesezeit: 3 Min.

Wie sich die Komplexität eines martialischen Spektakels in einen einfachen Satz packen lässt: "Papa, das Pferd hat Kacka gemacht." Ein Besuch von "Ben Hur live" - mit einer Vierjährigen.

Lars Langenau

Vorab: Meine Tochter ist erprobt in Massenveranstaltungen. Sie war mit acht Monaten auf dem Millerntor bei Nordzypern gegen Kamerun, wenig später in der Allianz-Arena bei St. Pauli gegen 1860, am Familientag auf der Wiesn, im Zirkus Krone und Roncalli. Will heißen: Sie kennt Massenhysterie, Alkoholexzesse und zu hohe Erwartungen.

Wie der Film endet auch die Show "Ben Hur live" mit einem Pferderennen der Kontrahenten. (Foto: Foto: ddp)

Mittlerweile ist sie vier und cool. Zumindest sehr viel cooler. Kasperletheater war heute nicht, aber wir hatten Karten für Ben Hur. Also hin zum Olympiastadion. Ist ja irgendwie auch der richtige Ort in München für so ein Event.

Wie der Pöbel

Und sie ist ja nur zwei Tage da, die Show, die die Presse in den Ausrissen der Flyer so zu Hymnen hingerissen hat: "Gott würde Bravo rufen", heißt es da beim Online-Konkurrenten in Hamburg, und in der SZ nur etwas gedämpfter "ein Riesenbilderbuch mit Spezialeffekten". Das andere lassen wir mal weg, wie das Lob vom Stern für die "jugendfreie römische Orgie", denn wie gesagt, wir waren im Nachmittagsprogramm da und da reichen Andeutungen.

Man kommt sich ein wenig vor wie der Pöbel, der vor 2000 Jahren das Kolosseum oder den Circus Maximus füllte und sich an den blutigen Spektakeln ergötzte. Brot und Spiele also. In der Olympiahalle gibt es Döner, belegte Brote, präsent winkt die Löwenbräu-Werbung und unten das Spiel von 400 Darstellern und 200 Tieren - oder war es umgekehrt?

Egal. Das Volk, der Pöbel, also wir, saß auf den Bänken und war gespannt auf das Lebensprojekt des Münchners Franz Abraham, die Musik des Police-Schlagzeugers Steve Copeland und wie man so einen bombastischen Hollywoodfilm als Liveshow hinbekommen will.

"Ist jetzt Pause?

Es geht, tatsächlich. Zumindest im letzten Drittel packte uns die Geschichte. Und das Wagenrennen ganz am Ende, ja das ist wirklich Klasse. Doch irgendwie wartet man in München immer darauf, dass jemand vorbeikommt und einem Otternasen verticken will. Leider vergeblich.

Zurück zu Ben Hur und der vierjährigen Tochter, der ich vorher dreimal versucht hatte, die Geschichte der Freundschaft und der Feindschaft von Jehuda Ben Hur und Messala zu erzählen. Leider folgenlos, denn meine Tochter quatschte vom Anfang bis zum Ende.

Was ein Gegensatz: Diese tiefe Stimme von Ben Becker, der als Erzähler diese gigantische Bühnenshow begleitet und dieses hochtönende "Hä?", "Papa, was machen die da?", "Kommen die Römer noch mal wieder?" oder bei Szenenwechsel: "Ist jetzt Pause? Oder ist es jetzt vorbei?". Die Darsteller reden in den Originalsprachen der damaligen Zeit - also Lateinisch und Aramäisch ("Papa, ich versteh die nicht").

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, warum sich bei "Ben Hur live" der Gedanke an Silvio Berlusconi aufdrängt.

"Ben Hur live" in München
:Otternasen fürs Volk

Wie sich die Komplexität eines martialischen Spektakels in einen einfachen Satz packen lässt: "Papa, das Pferd hat Kacka gemacht." Ein Besuch von "Ben Hur live" - mit einer Vierjährigen.

Lars Langenau

Nein, es dauert rund zwei Stunden, dieses Spektakel da unten im Spezialsand. Es beginnt recht gediegen mit Marktszenen aus einem Jerusalem, das es sicher so nie gegeben hat. Sowie mit Lichteffekten, die bestimmt mit Michel Jacksons letzter Show mitgehalten hätten, hätte es sie denn gegeben. Und es endet, wie im Film mit dem großen Pferderennen der Kontrahenten ("Papa, das Pferd hat Kacka gemacht.").

Wir haben uns gut unterhalten in der Halle, die an diesem Nachmittag nur ein Drittel bis halb voll war, angesichts der Eintrittspreise von 31 Euro aufwärts ja auch viel teurer als das Kasperletheater um die Ecke. Aber hier konnten wir tanzende Römer ("Papa, die Männer tragen Röcke, hihi") und immer wieder drunter blitzende Armani-Unterhosen neuesten Chics sehen.

Harmlose Orgie

Richtig begeistert waren wir von der Szene mit dem Piratenüberfall auf die römische Galeere und dem vielen Kunstnebel, der langsam über den Sand kroch. Die Orgie fiel dagegen im Nachmittagsprogramm wirklich sehr harmlos aus, sodass man sich fragt, ob Berlusconi nun wirklich von diesem Volk abstammt, oder bei ihm doch eher die Gene der Vandalen eingeflossen sind, die Rom dann später plünderten und brandschatzten.

Dafür waren da tolle Akrobatik und Feuerschlucker ("Papa, können wir das nachher mit dem Feuer auch mal machen?") zu sehen. Ein Falke flog durch Luft und nachher noch weiße Tauben, von denen wir nicht wissen, ob die eine halbe Stunde später noch immer unter dem Dach oder zur Spätvorstellung wieder im Käfig waren oder ob sie mit den gemeinen Stadttauben im Gebälk eine Dauerorgie feiern.

Dann tauchte auch noch Jesus auf, in einem weißen Gewand und mit bescheuerter Perücke. Meine Tochter hatte da aber längst erkannt, dass das alles Schauspieler und die Toten der Gladiatorenkämpfe gar nicht tot sind. Doch Jesus, sagt sie, sieht anders aus: Der hat doch sonst nur sowas um den Bauch gewickelt und nicht so ein komisches Kleid. "Wie fandest Du es", fragte ich sie zum Schluss, schließlich hatte ich ja Befürchtungen, sie würde das alles nervlich nicht verkraften: "Gar nicht so spannend. Und Du?" Na ja, die Pferde waren echt schön.

Ben Hur live, Olympiahalle, noch am Samstag, den 31.10. um 15.30 und um 20.30 Uhr. Karten unter 01805-570200 von 31 bis 120 Euro.

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