Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:Polizei muss draußen bleiben

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Ein Urteil von großer Bedeutung: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gestärkt und der bayerischen Polizei eine juristische Niederlage bereitet.

Bernd Kastner

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gestärkt und der bayerischen Polizei eine juristische Niederlage bereitet. Die Richter erklärten am Mittwoch die Anwesenheit von Beamten bei einer politischen Versammlung, die sich gegen rechte Gewalt richtete, im Nachhinein für "rechtswidrig".

Die Polizei darf nicht einfach Veranstaltungen ohne konkrete Hinweise auf Gefahren "schützen". (Foto: Foto: ddp)

Eine Urteilsbegründung liegt zwar noch nicht vor, doch dürfte die Entscheidung die in Bayern offenbar übliche Praxis unterbinden, solche Veranstaltungen ohne konkrete Hinweise auf Gefahren zu "schützen". Dem Urteil wird bundesweit Bedeutung zugemessen. Revision hat der VGH nicht zugelassen.

Der Journalist und Gewerkschafter Michael Backmund hatte gegen einen Polizeieinsatz im Münchner Eine-Welt-Haus im Juli 2006 geklagt. Die Journalistengewerkschaft dju und andere Organisationen aus dem linken Spektrum hatten zu einer Diskussion geladen, Titel: "Was tun gegen Rechts?!" Unter den 60 Besuchern waren auch zwei Staatsschützer, gekleidet in Zivil. Als die Beamten, die inkognito gekommen waren, erkannt wurden, wollte der Organisator sie des Saales verweisen, da sie sich "eingeschlichen" hätten. Die Polizisten kehrten mit Verstärkung zurück, um sich den Zutritt zu erzwingen. Unter Protest wurde die Versammlung daraufhin abgebrochen.

In erster Instanz erklärte das Verwaltungsgericht München den Einsatz schon deshalb für rechtswidrig, weil sich die Polizisten hätten ausweisen müssen. In der grundsätzlichen Frage, ob die Polizei zu einer Versammlung in geschlossenen Räumen generell Zutritt habe, auch ohne konkrete Hinweise auf eine Gefährdung, hatte der Freistaat Bayern in erster Instanz obsiegt. Der VGH aber ist anderer Meinung.

Aus dem Tenor der mündlichen Verhandlung lässt sich schließen, dass die Polizei eben doch nur angesichts einer konkreten Gefahr eine öffentliche Veranstaltung beobachten dürfe. Ihre Anwesenheit schränke die Versammlungsfreiheit ein: So mancher Bürger wolle dann lieber nichts sagen oder verlasse sogar die Veranstaltung. Während Polizeieinsätze unter freiem Himmel gesetzlich geregelt sind, gibt es zu solchen in geschlossenen Räumen weder einen eindeutigen Paragraphen noch höchstrichterliche Urteile.

Zwei Polizisten hatten als Zeugen vor dem VGH gesagt, dass Einsätze wie im Eine-Welt-Haus ,,nichts Außergewöhnliches'' seien. Man beobachte politische Versammlungen dieser Art, um sie "zu schützten". Bei einer Links-rechts-Konstellation müsse man immer mit Störungen oder Attacken des politischen Gegners rechnen. Der Kläger und seine Anwältin Angelika Lex sehen in der Polizeipraxis dagegen die Gefahr eines generellen Ausspähens politischer Treffen.

Dies höhle das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus. Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer kritisierte das Urteil. Es erschwere der Polizei, Gewalt zwischen links und rechts zu verhindern, da man womöglich gar nicht mehr am Ort des Geschehens sei. Dies stärke die Position von Extremisten.

© SZ vom 17.07.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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