Ausstellung im Freien:Aus der Luft begriffen

Lesezeit: 2 min

Ein Adria-Strand von oben - Bernhard Langs Aufnahmen hat das Museum für Konkrete Kunst in der ganzen Stadt aufgestellt. (Foto: Bernhard Lang, VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Das Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt zeigt im gesamten Stadtgebiet Luftaufnahmen des Fotografen Bernhard Lang

Von Sabine Reithmaier, Ingolstadt

Die Perspektive ist entscheidend. Von oben aus dem Blickwinkel eines Vogels entwickeln auch Tausende ordentlich gestapelter Getränkekästen eine abstrakte Schönheit. Genauso wie Sonnenschirme an der Adria, Tulpenfelder in Holland, Fischfarmen im griechischen Meer oder Solaranlagen in der Wüste von Nevada. Die Ingolstädter treffen derzeit im gesamten Stadtgebiet auf diese "Aerial Views", wie der Münchner Fotograf Bernhard Lang seine Aufnahmen nennt. Das Museum für Konkrete Kunst (MKK) hat 50 seiner großformatigen Fotos ausgesucht, in Plakatrahmen gesteckt und aufgestellt. "mit abstand am schoensten" nennt sich die Freiluftausstellung, ein Titel, der in seiner Doppeldeutigkeit sowohl zu den Motiven Langs passt, als auch an die Regeln erinnert, die der Mensch der Pandemie wegen einhalten sollte.

Normalerweise werden die 25 Aufsteller genutzt, um das Kulturangebot der Stadt anzukündigen. Das fällt aber derzeit flach. Daher entschied sich das Museum, die verwaisten Werbe- als Ausstellungsflächen zu nutzen und die Aufsteller beidseitig zu bespielen, um einen assoziativen Dialog zwischen Vorder- und Rückseite zu ermöglichen. Gemeinsam mit Bernhard Lang wählte Kuratorin Theres Rohde 50 Aufnahmen aus und präsentiert diese nun wahrhaft großformatig, nämlich 2 auf 2,40 Meter hoch. Weder Fußgänger noch Autofahrer können sie übersehen, wobei den letzteren auf jeden Fall der Dialog entgeht. Sie sehen die Slums in Manila, das durchorganisierte Strandleben auf der anderen Seite nehmen sie nicht wahr. Daher rät das MKK zu Stadtspaziergängen, um die einzelnen Motive besser zu erschließen. Unterhalb der Bilder befindet sich auch ein QR-Code, der via Smartphone zu weiteren Informationen zu Künstler und Werk leitet.

Lang, 1970 in Crailsheim geboren, ist als ausgebildeter Werbefotograf für nationale wie internationale Agenturen und Magazine aktiv. Mit den "Aerial Views" verfolgt er seit 2010 sein eigenes künstlerisches Projekt. Er startete in Bayern mit Winterbildern im Schnee, fasziniert von den außergewöhnlichen Strukturen und Mustern, mit denen Wind und Wetter die weißen Flächen prägen. Während eines Urlaubs an der Adria zwischen Ravenna und Rimini fiel ihm die strenge geometrische Anordnung der Liegestühle auf, ebenso die verschiedenen Farben und Muster der Sonnenschirme. Für die Serie, die später hier entstand, wurde er 2015 mit dem "Sony World Photography Award" in der Kategorie "Reise" ausgezeichnet. Die Aufnahmen passen gut ins Programm des Museums, wirken sie auf den ersten Blick in ihrer strikten Reduziertheit doch wie Konkrete Kunst.

Zum Fotografieren nutzt Lang keine Drohnen, er fliegt wirklich. Manchmal mit Ultraleichtflugzeugen, meist aber chartert er einen Hubschrauber mit Piloten. Entscheidend ist für ihn, dass man die Tür öffnen kann, da er sich für die vertikal aufgenommenen Bilder weit herauslehnen muss - schwindelfrei ist er wohl auf jeden Fall. Die Flughöhe variiert zwischen 300 Metern und knapp drei Kilometern. Im 90-Grad-Winkel entstehen dann die Luftbilder, die die vom Menschen gemachten Strukturen und Farbenspiele zeigen.

Erst von oben zeigt sich, wie sehr weltweit alles darauf ausgerichtet ist, strukturiert und optimiert zu werden, wie sehr der Mensch die Natur vereinnahmt. Aber sogar die Umweltzerstörung sieht hier noch ästhetisch aus.

Informationen unter www.mkk-ingolstadt.de

© SZ vom 16.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: