Auf der Flucht in die Luft gesprengt:Angeklagt wegen Mordversuchs an sieben Polizisten

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Durch Raubüberfälle finanzierte sich Wolfgang M. sein Leben. Als er eines Tages erwischt wird, sprengt er sich auf der Flucht vor der Polizei in die Luft - und überlebt nur knapp. Schwer entstellt ist er nun vor Gericht erschienen. Die Anklage: Mordversuch an sieben Polizisten.

Christian Rost

Die Fernsehteams und Fotografen warteten am Montag vergeblich im großen Schwurgerichtssaal auf den Angeklagten. Sie bekamen Wolfgang M. zwar vor ihre Kameras, als er von Justizwachtmeistern im Rollstuhl zur Anklagebank geschoben wurde. Er verhüllte seinen Kopf allerdings mit einem blickdichten schwarzen Tuch, selbst seine Hände waren unter schwarz-weißen Winterhandschuhen nicht erkennbar.

Erst als der Vorsitzende Richter Michael Höhne die Bildreporter hinausgeschickt hatte, gab der 50-jährige M. sein Antlitz frei - oder das, was davon noch übrig ist nach der Explosion.

Der Mann, der sich nach 18 Raubüberfällen auf Tankstellen, Optikergeschäfte und eine Bank auf der Flucht vor der Polizei in seinem VW-Bus in die Luft sprengte, ist schwer entstellt.

29 Prozent der Haut an seinem Oberkörper und Kopf waren verbrannt. Sein Gesicht wurde mit Hilfe von Transplantationen rekonstruiert. Ineinander verlaufende Narben zeugen von dem Bemühen der Ärzte der Station für Schwerstbrandverletzte im Klinikum Bogenhausen, M. ein erträgliches Äußeres zurückzugeben. Seine linke Hand war offenbar nicht mehr zu retten - sie ist völlig verstümmelt. Und dies sind nur die sichtbaren Folgen eines gescheiterten Lebens.

Wolfgang M. muss sich seit diesem Montag vor der ersten Strafkammer am Landgericht München I wegen der Überfallserie und wegen siebenfachen Mordversuchs verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren IT-Projektleiter vor, er habe bei seinem Selbstmordversuch auf der B 300 bei Gessertshausen auch die Polizisten töten wollen, die seinen VW-Bus umstellt hatten. M. öffnete eine Propangasflasche, zündete ein Feuerzeug und flog mit dem VW in die Luft. Er überlebte nur knapp. Die Polizisten, die im Prozess von einem Anwalt als Nebenkläger vertreten werden, erlitten mit einigem Glück nur leichte Verletzungen.

Tankwarte mit Spielzeugpistole bedroht

Im Prozess werden zahlreiche Zeugen zu den Überfällen gehört, die Wolfgang M. von Juni 2008 bis zur Explosion im August 2010 begangen hat. Er hatte sich nach einem Schlaganfall und Jobverlust aus München abgesetzt und mit 5000 Euro Bargeld in der Tasche auf einem Campingplatz in Süditalien einquartiert.

Der Polizei erzählte er später, er habe schon dort Schluss machen wollen mit allem, sobald das Geld zur Neige gehe. Weil ihm aber ein Hund zugelaufen sei, habe er seinen Entschluss revidiert und sei zum bewaffneten Räuber geworden, um zu überleben.

Zu den Raubzügen brach er jeweils von Italien aus mit seinem VW-Bus auf, darin einen Motorroller verstaut, mit dem er letztlich zu den Tatorten fuhr. In Schwaben und Oberbayern ging er seine Ziele an: Tankwarte und Optikerangestellte bedrohte mit einer Spielzeugpistole, leerte Kassen und ließ seine verängstigten Opfer stets mit Kabelbindern gefesselt zurück. Nach einem Banküberfall am 16. August 2010 nahe Augsburg wurde die Polizei auf seinen VW-Bus aufmerksam und stoppte ihn.

Die Überfälle mit 40.000 Euro Beute hat M. längst zugegeben. Den Vorwurf des versuchten Mordes bestritt der Angeklagte zum Prozessauftakt: Er habe nicht geahnt, dass außerhalb des Wagens Menschen zu Schaden kommen könnten.

Laut vorläufigem psychiatrischen Gutachten ist M. voll schuldfähig. Das Schwurgericht will nach neun Verhandlungen zu einem Urteil kommen.

© SZ vom 18.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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