Armut in München:Stadt muss Sozialhilfe für Ältere kürzen

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Weil das Leben hier teuer ist, zahlen Stadt und Landkreis bislang einen Zuschlag auf die Grundsicherung im Alter. Doch ein neues Gesetz, das die Bundesregierung plant, könnte dies künftig verhindern. Die Sozialreferentin spricht von einem "bitteren Schlag".

Sven Loerzer

Ende des Jahres droht Tausenden alten Menschen im Großraum München, deren Rente nicht zum Leben reicht, eine böse Überraschung: Sie könnten künftig weniger Geld bekommen. Denn ein Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium sieht vor, dass es von 2013 an keine regionalen Zuschläge bei der Sozialhilfe mehr gibt. Bislang zahlen die Landeshauptstadt München und der Landkreis München diesen Zuschlag zur Grundsicherung im Alter freiwillig, weil das Leben hier teurer ist als anderswo in Deutschland. Der Landkreis Fürstenfeldbruck hatte ebenfalls lange Zuschläge gezahlt, diese aber 2011 abgeschafft.

Die Stadt München muss möglicherweise bald die Sozialhilfe für Ältere kürzen. (Foto: ddp)

In München bekommen ältere Menschen, die alleinstehend sind, derzeit 393 Euro Sozialhilfe; im Landkreis München sind es 401 Euro. Künftig gäbe es, falls das Gesetz von Bundestag und Bundesrat so beschlossen wird, wie bei Hartz IV nur den bundeseinheitlichen Satz von 374 Euro. Dies sei "ein bitterer Schlag für alte Menschen", sagt die Münchner Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD).

Der Grund für die drohende Abschaffung des Zuschlags ist, dass der Bund schrittweise die Kosten der Grundsicherung im Alter übernehmen muss. Derzeit gibt die Stadt München für die Grundsicherung im Alter mehr als 90 Millionen Euro aus. In diesem Jahr trägt der Bund bereits 45 Prozent der Nettoausgaben, 2013 sind es 75 Prozent und 2014 dann 100 Prozent. Da der Bund vom kommenden Jahr an mehr als die Hälfte der Kosten trägt, kann er den auszahlenden Kommunen im Rahmen der sogenannten Bundesauftragsverwaltung genaue Vorschriften machen. So steht im Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums, dass die bisher vorgesehene Möglichkeit, Regelsätze regional festzusetzen, künftig ausgeschlossen werden soll.

In München würden dadurch mehr als 12 000 alte und behinderte Menschen 19 Euro weniger Sozialhilfe erhalten. Im Landkreis München wären weitere 1600 Senioren betroffen. Stadt und Landkreis könnten ihre Zuschläge auch nicht als "freiwillige Leistung" aus eigener Kasse drauflegen: "Der Betrag müsste dann als Einnahme bei den Betroffenen angerechnet werden", erklärt Brigitte Meier. Diese Einnahmen würden den Anspruch auf Sozialhilfe entsprechend verringern. Die Sozialreferentin fordert: Wenn der Bund schon auf Kosten seiner armen, alten und behinderten Bürger sparen wolle, dann sollte er wenigstens den Kommunen die Möglichkeit lassen, ihren Bürgern zu helfen.

Meier verweist dabei auf eine repräsentative Studie der Stadt, die gezeigt habe, wie sehr sich alte Menschen in München einschränken müssen, wenn sie auf Sozialhilfe angewiesen sind. Sie verlassen "nur noch selten ihre Wohnung", weil viele Aktivitäten Geld kosten. Etwa drei Viertel der Befragten erklärten, dass sie trotz der staatlichen Unterstützung "viel weniger oder etwas weniger" zur Verfügung haben "als das, was man zum Leben braucht". Ihnen fehlt Geld für Möbel oder Kleidung. Fast jeder fünfte spart an Lebensmitteln.

Die Sozialreferentin tritt deshalb für "existenzsichernde Regelsätze" ein, "die an die regionalen Lebenshaltungskosten angepasst werden können". Um zu verhindern, dass geringe Renten und hohe Mieten alte Menschen in die Armut treiben, müsse das Wohngeld für Ballungsräume erhöht werden. Erleichtert ist die Sozialreferentin darüber, dass in dem Gesetz die Einführung von einheitlichen Mietpauschalen noch nicht vorgesehen ist. So könne die Stadt weiter selbst festlegen, bis zu welcher Höhe sie Mietkosten bei Sozialhilfebeziehern übernimmt.

© SZ vom 27.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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