Architektur:Sagenhaft langweilig

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Das Bauhaus hat unfreiwillig dazu beigetragen, dass die künstlerische Fassadengestaltung allmählich abgeschafft wurde

"Im Zweifel Zweckbauten", 16. April, über Pläne für neue Hochhäuser und den Wagemut von Bauherren und Architekten in München:

Die unterkühlte, notwendigerweise fantasielose Ingenieursästhetik hat das Aussehen eines Großteils der neuen Münchner Bauten bis in die Sechzigerjahre zurück bestimmt, als ob kein Bauherr sich jemals der Gefahr aussetzen mochte, dass eines seiner Gebäuden eines fernen Tages unter Denkmalschutz stehen könnte. Irgendwann mal abreißen und etwas genauso Uninspiriertes und Seelenloses hinstellen, scheint die Devise für die Zukunft zu sein.

Ein eklatantes Ergebnis dieses ewigen verhängnisvollen Kotaus etwa vor dem Vorbild des Bauhauses und seiner Tradition bildet die sagenhaft langweiligen Reihe von weißen kubischen Bürogebäuden - mehrstöckige Hasenställen mit quadratischen Fenstern -, die zur linken Seite von der Donnersberger Brücke aus stadteinwärts zu betrachten sind, bei der kein einziger Bau aus der Reihe zu tanzen wagt und tatsächlich bei einigen Architekten dennoch als gelungene Baukunst bezeichnet wird.

Das Bauhaus hat große Schuld daran, dass das Flachdach als beispielhafte Baulösung gefeiert wird, während es beim Bauhausgebäude in Dessau, auf Wunsch vom Architekten Walter Gropius, lediglich als sicherer und wegen der frischen Luft gesunder Aufenthaltsplatz für die Studenten während der Unterrichtspausen gedacht war. Das Bauhaus hat auch unfreiwillig dazu beigetragen, dass die künstlerische Fassadengestaltung und somit auch den Beruf des Bauplastikers allmählich abgeschafft wurde.

Holen wir uns den figürlichen Fassadenschmuck und die glänzenden Mosaike zurück, auf dass die Baukunst wirklich "Kunst" zulässt und die Gebäude wieder zu visuellen Genüssen werden!

Das würde natürlich etwas kosten. München könnte hier vorangehen, auch in die Höhe, aber solange die Stadt sich aus längst überholter Tradition weigert, durch den Bau von wirklich guten Hochhäusern den Rang einer tatsächlichen Weltstadt einzunehmen, sieht es hier mit einer modernen Baukunst, die sich diesen Namen verdient, ziemlich düster aus. Dr. Graham Dry, München

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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