Arbeitsmarkt:Ein-Euro-Job als Sprungbrett

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Lernen, lernen, lernen - und dann auf den Arbeitsmarkt: In der Kantine der Inneren Mission lernen Arbeitslose alles, was eine Hauswirtschafterin wissen muss.

Claudia Wessel

In gut einem Jahr wird sich Helima Abdulkerim wohl auf dem "richtigen" Arbeitsmarkt bewerben können. Vielleicht in einem Altenheim, in einem Kindergarten, bei einem Pflegedienst, in einer Wäscherei oder in einer Kantine. Sie wird dann alles wissen, was eine gute Hauswirtschafterin braucht, in den Bereichen Hygiene, Textilpflege, Hausreinigung, Kommunikation, Arbeitsorganisation, Ernährung, Arbeitsschutz und Umweltschutz. Sie wird selbstsicher und verantwortungsbewusst sein. Und sie wird ihrem potentiellen neuen Arbeitgeber ein zertifiziertes Zeugnis vorlegen können.

Nach der Ausbildung können sich die Frauen auf dem "richtigen Arbeitsmarkt" bewerben. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Noch vor wenigen Wochen war die Mutter dreier Kinder im Alter von 18, 11 und sieben Jahren arbeitslos. Dann entdeckte sie im Gebrauchtwarenkaufhaus einen Flyer der "Perspektive Hauswirtschaft" - und kam spontan vorbei. "Ich will lernen, lernen, lernen", sagte sie zu Christine Hopf, der stellvertretenden Leiterin von "Diakonia Inhouse", einem sozialen Integrations- und Beschäftigungsbetrieb der Inneren Mission. Seit 14. Januar steht Helima jetzt an der Theke in der Kantine der Inneren Mission in der Landshuter Allee 40.

"Zuhause war es langweilig"

Hier lernt sie, dass man Gemüse nur auf grünen Brettern schneidet, Fleisch auf roten und Brot auf weißen. Doch das wird ihr nicht einfach so diktiert, sondern sie erfährt auch die Gründe für diese saubere Trennung: Fleisch kann beispielsweise mit Salmonellen infiziert sein. Schneidet man auf demselben Brett später Salat und verzehrt diesen roh, kann man sich eine Lebensmittelvergiftung holen.

Auch das "first in - first out"-Prinzip beim Einräumen der Vitrinen hat seinen Grund: Man nimmt die Dinge, die man zuerst hineingestellt, deshalb zuerst wieder heraus, damit alles immer gleich frisch ist. Helima hat trotz der durchaus stressigen Arbeit - die Kantine ist nicht selten überfüllt - viel Spaß. "Zuhause war es langweilig", sagt sie. "Die Kinder sind doch jetzt schon sehr lange in der Schule." Und die 1,25 Euro, die sie hier in der Stunde verdient, kann sie durchaus gebrauchen.

Die "Perspektive Hauswirtschaft" ist ein Zusammenschluss von derzeit elf Integrationsbetrieben, die "Ein-Euro-Jobs" im Bereich Hauswirtschaft anbieten. Für diese Jobs in Frage kommen alle Bezieher von Arbeitslosengeld II, die Tätigkeit ist auf ein Jahr, in Ausnahmefällen eineinhalb Jahre befristet. Der Arbeitskreis, zu dem neben der "Diakonia" unter anderem "Condrobs e.V.", "Netzwerk Geburt und Familie e. V.", aber auch die Münchner Volkshochschule und der Verband "Verbraucher Service Bayern" gehören, gründete sich 2006. Schon ein halbes Jahr später begannen die Betriebe mit der Umsetzung ihrer Idee. Alle Personen, die sie beschäftigen, sollten eine standardisierte Qualifizierung erhalten.

Von Hygiene bis Umweltschutz

"Die Arbeitgeber sollen wissen, was die Leute, die aus unseren Betrieben kommen, können", so Hopf. Sie alle machen die acht Module von Hygiene bis Umweltschutz durch. An einem Tag in der Woche gibt es theoretischen Unterricht, alles andere lernt man in der Praxis. Jedes Modul ist außerdem in zwei Schwierigkeitsstufen aufgeteilt.

Die Basisstufe richtet sich an Personen, die mit der Theorie noch ein wenig Probleme haben - sei es aufgrund der Sprache oder aufgrund anderer "Vermittlungshemmnisse". Die ein- bis eineinhalbjährige Tätigkeit in einem der "Perspektive Hauswirtschaft"-Betriebe berechtigt auch zur Abkürzung der Ausbildungszeit als Hauswirtschafterin. Wer nach dem Jahr noch ein paar Monate Unterricht anhängt, kann die Prüfung zur staatliche geprüften Hauswirtschafterin ablegen.

Neueste Errungenschaft der "Perspektive Hauswirtschaft" ist die Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft. Nun dürfen die Betriebe ihren Frauen (und vereinzelt auch Männern) ein zertifiziertes Zeugnis mit auf den Weg ins "richtige" Arbeitsleben geben.

© SZ vom 29.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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