American Football für Frauen:Rempeln für Anfängerinnen

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Angefangen hat alles bei Barbecue und Bier: Die Meisterschaftsspiele im American Football liefen gerade in den USA und Sarah Zimmermann sah gespannt zu. Jetzt hat sie eine Damenmannschaft gegründet. Und da geht es wenig zimperlich zu.

Von Axel Hechelmann

Blaue Flecken gibt es immer, die Bänder hat sie sich auch schon angerissen und trotzdem hat Sarah Zimmermann immer noch nicht genug von dem Sport, der sie so süchtig macht.

Es ist Mittwochabend, kurz vor 20 Uhr nahe dem Rotkreuzplatz. Zimmermann sitzt vor der Sporthalle des Adolf-Weber-Gymnasiums auf einer Holzbank. Sie ist schlank, aber kräftig. Drinnen hört man Cheerleader eine Choreographie trainieren. Zimmermann trägt eine blaue Sporthose, dazu ein schwarzes T-Shirt. Tagsüber arbeitet die 32-Jährige bei einem Verlag. Jetzt ist sie hier, um an ihre Grenzen zu gehen. "Wenn es einen infiziert hat, kommst du nicht mehr los", sagt sie.

Die Cheerleader tänzeln nach und nach aus der Halle. Jetzt sind die Damen der München Rangers dran. Die Sportart: American Football. In der Halle sammeln sich immer mehr Mädchen und Frauen. Die Mannschaft gibt es erst seit zwei Monaten, trotzdem sind schon 25 Frauen dabei. Zimmermann ist Teamchefin. Sie kann noch gar nicht glauben, dass sich so schnell eine Mannschaft formiert hat. Trainiert werden die Frauen unter anderem von Thomas Grimm. Grimm hat 20 Jahre lang Football gespielt. Er schaute einmal beim Training der Damen zu und war so begeistert, dass er blieb.

Football hat in Deutschland traditionell einen schweren Stand. Schon bei den Männern ist es eine Randsportart. Es gilt als grober Sport. Außerdem dauert es lange, bis man die Spielregeln verstanden hat. Frauenfootball spielt in Deutschland quasi gar keine Rolle. Vergangene Saison spielten nur 14 Frauen-Mannschaften in einer deutschen Liga - die zweite Liga ist gleichzeitig die unterste Spielklasse. Zum Vergleich: im Männerfußball gibt es sieben Ligen.

In der Trainingshalle der Rangers haben normalerweise Schüler ihren Sportunterricht. Die Wände sind aus Backstein, Sprossenleitern lehnen daran. "Ready?" - "Ready!" schallt es durch die Halle. 40 Minuten Dehnen, Liegestützen, Zirkeltraining. Die kommenden Wochen werden anstrengend, Thomas Grimm trainiert die Koordination und Kondition der Frauen. Erst nächstes Jahr nehmen die Frauen den Spielball in die Hand, um Spielzüge und Taktik zu trainieren.

Nach 20 Minuten kommen die ersten ins Keuchen. Beim Football wird jeder gebraucht: egal ob dick oder dünn. Die schnellen Ballträger versuchen in einem Spielzug möglichst weit in die gegnerische Hälfte vorzudringen. Die starken Linienspielerinnen blockieren den Gegner und halten den Weg frei. Wichtig ist vor allem, dass man sich auf jeden verlassen kann: "Beim Football gibt es keinen Star im Team. Wenn einer verkackt, werden alle bestraft", sagt Zimmermann.

Zimmermann spielt seit drei Jahren Football. Ein halbes Jahr hat sie in den USA für eine Automobilfirma gearbeitet. Während der Meisterschaftsspiele hat sie bei Barbecue und Bier vor dem Fernseher mit gefiebert. Auf die Idee, selber Football zu spielen, kam sie damals nicht. Bis sie eines Tages auf dem Sportplatz angesprochen wurde - der Männermannschaft der Rangers fehlte noch ein Mitspieler für ein Trainingsspiel. Die Begeisterung für American Football lässt sie seitdem nicht mehr los.

Kristin Speed war am selben Tag auch auf dem Sportplatz. Sie ist Amerikanerin und von kräftiger Statur. Das populäre Ballspiel hat seine Wurzeln zwar in ihrer Heimat, erlernt hat sie es aber in Deutschland. Heute ist sie wieder beim Training dabei - ihre Hand ist lädiert. Trainer Thomas Grimm fragt nach: "Was ist da passiert?". "Ringbandriss - ist vom letzten Heimspiel." Grimm lacht, er kennt das: "Meine Hand ist auch hin."

Kristin Speed geht zurück auf das Feld. Da sie schon länger Football spielt, ist sie wenig zimperlich. Warum sie sich das antut? Tagsüber muss die 30-Jährige als Fotografin immer gute Laune ausstrahlen. Sie fotografiert Brautpaare oder Babys. Und obwohl sie ihren Job liebt: "Manchmal hat man Aggressionen. Die kann ich hier ablassen. Und es macht einfach Spaß."

Das Team der Rangers ist bunt zusammen gewürfelt. Die Frauen haben sich über soziale Netzwerke organisiert, gekannt haben sie sich vorher nicht. Eine Ausnahme sind Lisa Schmidt und ihre Mutter Ingrid. Die beiden trainieren seit zwei Monaten zusammen bei den Rangers. Den Anstoß dafür hat ihnen der Bruder der 21-Jährigen gegeben, er ist aktiver Footballer.

Vierzig Minuten sind um. Auf Kommando machen die Frauen 15 Liegestützen. "Die Beine hängen durch!", mahnt der Trainer. "Nagelbrett drunter!", ruft eine Spielerin. Alle lachen. Bei der nächsten Übung müssen die Frauen schnell und geschickt sein. Mit viel Wucht wirft Trainer Grimm die Spielbälle durch die Halle. Die Spielerinnen müssen versuchen, sie im Sprint aus der Luft zu pflücken. Zimmermann soll einen besonders schwierigen Ball fangen und stürzt dabei über den Trainer, beide stehen schnell wieder auf. Applaus von den anderen.

Drei Spielerinnen sitzen während des Trainings auf der Bank - sie haben sich leicht verletzt. Die drei könnten auch daheim auf dem Sofa ihren Feierabend genießen. Sie sind trotzdem da: "Für den Teamgeist", sagt eine. "Und man kann auch beim Zuschauen etwas lernen." Thomas Grimm, der Trainer, fühlt sich bestätigt: "Bei den Männern hab ich nie so eine Begeisterung erlebt wie bei Frauen."

Fast jede Woche wächst die Frauen-Mannschaft um eine Spielerin. Vor dem Spiel hatte sich mit breitem Grinsen noch ein Neuling bei Sarah Zimmermann vorgestellt: "Hi, ich bin Sina. Wir hatten miteinander geschrieben." Sie wird später sagen, dass sie auf jeden Fall wieder kommen möchte. Um Ende April mit den Rangers in die zweite Bundesliga einzusteigen.

Wenn der Helm dann umgeschnallt ist und die Frauen im Frühling auf dem Feld stehen, zeigt sich was das harte Wintertraining für die komplizierte Sportart gebracht hat. "Das erste Jahr wird lustig. Da kapiert kaum einer das Spiel", sagt Zimmermann. Selbst sie würde nach drei Jahren manchmal noch nicht ganz durchblicken. Aber es gibt Fortschritte: "Vor vier Wochen wären die meisten bei so einem Training noch umgekippt", sagt sie.

Die München Rangers trainieren jeweils Mittwoch und Freitag. Interessierte Mädchen und Frauen ab 16 Jahren sind jederzeit zu einem Probetraining willkommen. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.muenchen-rangers.de.

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