Am Hauptbahnhof:Der Seismograf von Gleis elf

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In der Bahnhofsmission zeigen sich soziale Probleme sehr bald

Von Marco Völklein

Lange bevor die breite Masse der Deutschen registriert hatte, dass es vielen Griechen finanziell schlecht geht, hatten Simone Slezak und Bettina Spahn schon gespürt, dass es da Probleme gibt. "Wir sind hier eine Art Seismograf", sagen die beiden Leiterinnen der Bahnhofsmission im Münchner Hauptbahnhof. Ein Frühwarnsystem. Lange bevor ein soziales Brennpunktthema breit in der Öffentlichkeit diskutiert werde, schlage es in den Räumen der Helfer am Gleis elf auf. Aktuell zum Beispiel zeige sich, erzählt Simone Slezak, dass viele der im vergangenen Jahr nach Deutschland Geflüchteten Probleme hätten bei der Eingliederung in den deutschen Alltag. Viele würden von Behörde zu Behörde geschoben, die Zuständigkeiten zwischen Kommunen, Bezirk, Freistaat und Bund seien "oftmals nicht geklärt", sagt Slezak. "Und am Ende kommen sie dann zu uns." Danach, ergänzt Spahn, "kommt eigentlich nur noch die Straße".

Deshalb sei die Arbeit der Bahnhofsmission auch so wichtig. Etwa 95 000 Menschen betreuen die Mitarbeiter der Münchner Einrichtung pro Jahr, bundesweit sind es 2,2 Millionen jährlich. Etwa ein Dutzend Festangestellter beider großen Kirchen sind in München im Einsatz, dazu rund 130 ehrenamtliche Helfer. "Ohne die", sagt Bettina Spahn, "ließe sich unser Angebot gar nicht aufrecht erhalten." 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche hat die Bahnhofsmission geöffnet. Am Samstag präsentierten die Helfer sich und ihre Einrichtung bei einem Tag der offenen Tür im Bahnhofsgebäude.

Bei Führungen durch die Räume konnten Interessierte sich informieren, am Nachmittag gab es Kaffee und Kuchen für Besucher und Gäste. "Das ist schon etwas Besonderes", sagt Spahn. Normalerweise versorgen die Mitarbeiter die Hilfesuchenden lediglich mit ein paar belegten Broten und heißem Tee. "Und immer auch mit einem Gespräch", betont Slezak. Niemand werde einfach so wieder aus der Obhut der Bahnhofsmission entlassen; in drei abgetrennten Büros versuchten die Mitarbeiter und Helfer vielmehr, den Betroffenen Auswege aufzuzeigen, Probleme praktisch zu lösen oder Beratungsangebote zu vermitteln.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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