Diamalt AG:Von Backhilfen und Brotbaronen

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Er ist der erste, der sich mit der Firmengeschichte der Diamalt AG auseinandergesetzt hat: Walter Demmel. (Foto: Stephan Rumpf)

Walter Demmel beleuchtet in seinem neuen Buch Aufstieg und Niedergang eines einstigen Marktführers

Von Anita Naujokat, Allach-Untermenzing

Sie war eine der frühesten Global Player, mal von den Roten Garden, mal von den Weißen Truppen besetzt und machte schon in den 1920er Jahren Schlagzeilen wegen Umweltverschmutzung: die Diamalt AG in Allach. Ihr Wirken und Werden, ihren Aufstieg und Niedergang bis hin zur Zukunft des Areals erzählt der Untermenzinger Historiker Walter G. Demmel in seinem gerade erschienenen Buch "Die Diamalt AG". Er schreibt damit sowohl ein Stück Allacher Orts- als auch Industriegeschichte im Spannungsfeld zweier Weltkriege, beschreibt Krisen wie die Inflation, die wirtschaftlichen Folgen der EWG, sich verändernde Ernährungsgewohnheiten und das Leben der normalen Allacher und Untermenzinger mit "ihrer" Fabrik. Im Mittelpunkt steht immer Diamalt, dessen Name der Laie eher mit einem Zementwerk verbindet, als mit der Entwicklung und Produktion von Backhilfsmitteln, Suppenwürze und Malzbonbons. Glaubt man dem Verlag, ist Demmel der einzige, der sich bisher mit der Historie von Diamalt in Allach auseinandergesetzt hat.

Dabei wollte Demmel zunächst gar nichts damit zu tun haben. Auch wenn es ihn immer wieder beschäftigt hat. Etwa wegen des Gestanks der Tierkadaver, die zur späteren Produktion von Aminosäuren übers Wochenende in offenen Güterwaggons der Weiterverarbeitung harrten. Und als die Familie Mertmann und Wichelhaus nach Jahren der Brache das Kesselhaus restaurierte.

Die Idee zu Buch und Ausstellung entstand durch einen Zufall in der Inselmühle, wo sich Demmel und Mertmann über die Freundschaft von Enkelin und Tochter kennenlernten. Demmel hatte da bereits Kontakt zum Verleger Alexander Strathern vom Allitera-Verlag, aber wegen eines ganz anderen Projekts: eines Buchs über die Allacher Porzellanmanufaktur. Das wurde zugunsten von Diamalt zurückgestellt.

Anschaulich und informativ, bestückt mit historischem und aktuellem Bildmaterial, gräbt sich der Autor durch die Firmengeschichte von den Anfängen 1884 bis hin zum verantwortungsvollen Umgang mit den denkmalgeschützten Resten. Dabei beweist Demmel auch Mut zur Lücke, benennt Widersprüche in den Quellen. Man erfährt, dass Diamalt das wohl heute noch bekannteste Produkt Ovomaltine schon 1904 auf den Markt brachte - damals noch als medizinisches Präparat. Dass ein Kilo Malzextrakt am 28. September 1923 während der Inflation 26,6 Millionen Mark kostete. Wie die Belegschaft mit ihren Kollegen an der Front Kontakt hielt. Aber auch von der Nähe der Werksführung zum NS-Regime, von Brotbaronen, Denunzianten und Strafaktionen im Unternehmen, und natürlich erfährt man die Rezeptur der echten Münchner Malzbonbons. Und wie Diamalt letztlich genau sein Global Playing mit zum Verhängnis wurde. Wer sich wunderte, dass zur Buchpräsentation auch Oskar Maria Graf auslag, wird darauf in Demmels Buch ebenfalls Antworten finden: Der gelernte Bäcker und spätere Schriftsteller hatte Texte für die Werks-Jahrbücher verfasst. Seine Erlebnisse mit Diamalt schildert er im Roman "Gelächter von außen".

Walter G. Demmel: "Die Diamalt AG. Ein Beitrag zur Münchener Industriegeschichte." 196 Seiten, Allitera-Verlag, Erstauflage 1500 Stück. Erhältlich im Buchhandel, 16,90 Euro.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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