Alkoholisierte Wiesnbesucher:Blut abgezapft

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Umstrittene Blutproben: Eine Studie, für die volltrunkenen Wiesnbesuchern Blut abgenommen wurde, beschäftigt den Staatsanwalt.

Christina Warta

Die Notfallzentrale des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) auf dem Oktoberfest ist ins Visier der Staatsanwaltschaft München geraten. "Wir prüfen, ob Ermittlungen einzuleiten sind", bestätigte Oberstaatsanwalt Anton Winkler am Sonntag. In einem anonymen Schreiben werde angeprangert, dass im Jahr 2004 betrunkenen Wiesnbesuchern in der BRK-Notfallzentrale Blutproben abgenommen und die Laborwerte für eine Studie genutzt worden seien.

Wiesn-Besuchern soll möglicherweise ohne deren Einverständnis Blut abgenommen worden sein. Mit der Untersuchung im Bild hingegen war die Patientin einverstanden. (Foto: Foto: dpa)

Dabei könnte es sich um Körperverletzung handeln, wenn die Patienten nicht ausdrücklich ihr Einverständnis erteilt hätten. Außerdem steht offenbar auch der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung im Raum. "Wegen der Blutentnahmen sei eine andere Person angeblich nicht versorgt worden", so Winkler. Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft richten sich derzeit gegen unbekannt.

Die Wissenschaftler aus Leipzig, Dortmund und Berlin untersuchten in ihrer im Dezember 2008 veröffentlichten Studie, bei welchen Personen ein hohes Risiko besteht, dass sie mit Alkoholvergiftung in die Notfallzentrale eingeliefert werden.

"Wir sind bestürzt"

Sie nutzten dafür offenbar Blutwerte und andere medizinische Daten von 405 Wiesnbesuchern, die im Jahr 2004 mehr oder weniger volltrunken beim BRK eingeliefert wurden. Registriert wurden auch Alter, Geschlecht, Blutdruck, Puls und Körpertemperatur. Die Forscher kamen zu dem - wenig erstaunlichen - Ergebnis, dass für Männer zwischen 20 und 29 Jahren das höchste Risiko besteht, mit Alkoholvergiftung eingeliefert zu werden.

Fraglich ist vor allem, ob und - wenn ja - in welchem Zustand die Patienten ihr Einverständnis erklärt haben, dass sie ihr Blut für die Studie zur Verfügung stellen. Denn im Ausnüchterungsraum des BRK-Notfallzentrums liegt ein Schwerbetrunkener bewegungslos neben dem nächsten. Außer alkoholisierten Personen werden in dem Zentrum auch alle anderen Notfälle behandelt, rund 8000 bis 9000 sind es jedes Jahr. Die Arbeit machen ehrenamtliche Mitarbeiter, viele Ärzte etwa nehmen sich extra Urlaub, um auf der Wiesn in der Notfallzentrale arbeiten zu können.

Peter Behrbohm, der Leiter der BRK-Unternehmenskommunikation, sagt: "Wir sind dabei, die Fakten zu eruieren, und wir sind über die Vorwürfe sehr bestürzt." Das BRK habe bislang weder Kontakt mit der Staatsanwaltschaft gehabt noch mit den Verfassern der Studie. "Einer der Ärzte kam damals aus Leipzig", sagt Behrbohm. "Wir gingen bisher davon aus, dass alles seine Ordnung hatte." Ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei, müssten nun Rechtsexperten bewerten, zumal der Vorfall schon fünf Jahre zurückliege. Das anonyme Schreiben bezeichnet Behrbohm als "Pamphlet, in dem vieles durcheinander geworfen wird und vieles falsch ist".

© SZ vom 31.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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