After-Wiesn:Zum Nachtisch ins Hostel

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Wenn die Zelte auf dem Oktoberfest schließen, geht die Party am Goetheplatz erst richtig los: Beim "Wiesnnachtisch" im Hostel "Easy Palace" treffen sich die, die vom Feiern nicht genug kriegen: Ein Besuch auf einer Münchner Touri-Party.

Simon Leonhardt

Der Raum ist über und über dekoriert mit Girlanden und weiß-blauen Fähnchen, statt einer Diskokugel hängt ein Lampion von der Decke, bunte Lichter blinken im Takt zu einer Partyversion von U2's With or Without You. Eine Gruppe junger Männer mit Robin-Hood-Hüten steht an kleinen Bistrotischen und trinkt Bier aus Literkrügen. Das Lied scheint in diesem Moment so etwas wie ihr Motto zu sein, denn die angekündigte Party feiern sie gerade mehr oder weniger alleine.

Internationale Atmospäre beim "Wiesnnachtisch" im Easy Palace. (Foto: Simon Leonhardt)

Es ist ein ganz normaler Wochentag in der Lobby des Münchner Hostels Easy Palace - mit einer Ausnahme: Es ist Wiesnzeit. Wie für die meisten Hotels und Pensionen der Stadt ist es natürlich auch für das Easy Palace die beste Zeit des Jahres. Das Hostel liegt direkt an der Strecke vom Goetheplatz zum Festgelände, gerade einmal 400 Meter von den großen Festzelten entfernt. Das lockt viele Touristen: Alle Zimmer sind restlos ausgebucht und jeden Abend lädt das Hostel zum "Wiesnnachtisch". Hier wird noch weitergefeiert, wenn die Zapfhähne in den Oktoberfest-Zelten längst zugedreht sind.

Bisher ist davon noch nichts zu spüren. "Wirst schon sehen, in einer halben Stunde ist hier die Hölle los", versichert der Barmann. Kurz darauf torkelt ein Gast durch die Tür - aber an einer Party-Verlängerung hat er kein Interesse. Er schaut kurz zur Bar herüber, hält inne und lallt mit erschrockenem Blick "Was machen Sie da? Lassen Sie mich in Ruhe!" und verschwindet im Treppenhaus.

Die Gruppe am Tisch, alles Engländer, ist geselliger. Ob die Zelte dieses "Festivals", wie sie das Oktoberfest nennen, tatsächlich jedes Jahr neu aufgebaut werden, wollen sie wissen. Auf die Antwort reagieren sie mit respektvollem Kopfnicken. Darauf erst mal eine Maß! Eine Preisliste sucht man im Easy Palace übrigens vergeblich. Doch das scheint bei der Bestellung niemanden zu stören. Im Vergleich zum Oktoberfest sind die Krüge immerhin exakt bis zum Eichstrich eingeschenkt.

Mit dem Zapfen hat der Barkeeper dann auch schlagartig alle Hände voll zu tun, denn um halb zwölf wird es tatsächlich rappelvoll. Rezeptionist Istvan Simon sieht amüsiert zu: "Manchmal würde ich gerne eine Kamera aufstellen, die die Leute filmt, wie sie in der Früh gehen und wie sie dann am Abend zurückkommen."

After-Wiesn
:"Wir feiern die ganze Nacht"

Wenn auf der Theresienwiese die Bierhähne zugedreht werden, ist noch lange nicht Schluss. Das Partyvolk zieht weiter durch die Clubs der Stadt. Manche nutzen die After-Wiesn sogar als Vorbereitung auf ihren ersten Oktoberfest-Besuch. Ein Streifzug in Bildern.

Tobias Dorfer

Die meisten von denen, die heute zurückkommen sind Briten, viele von ihnen in Tracht. "Unter unseren Gästen sind auch viele Backpacker aus Übersee", erzählt Simon. Zwei Australierinnen im Dirndl erregen die Aufmerksamkeit einer Gruppe junger Schotten im Kilt. Das Interesse scheint gegenseitig zu bestehen, allerdings nur für ein Foto.

Denn schnell werden sie abgelenkt, Seven Nation Army ertönt aus den Lautsprechern und holt die Gäste von der Bar auf die Tanzfläche. Für die Gruppe Schotten gibt es heute kein Halten mehr. Auf die obligatorische Frage, ob sie denn etwas unter ihren Kilts tragen, bekommt man kein Wort aus ihnen heraus. Schweigend drehen sie sich um und lupfen ihre Röcke: Sie tragen tatsächlich nichts. Die Australierinnen verlieren nach dieser Aktion das Interesse an den jungen Männern. Wird wohl nichts aus der großen Wiesn-Liebe.

Dafür wird auf der Tanzfläche weiter gegrölt, getrunken, geflirtet. "Einige landen am Morgen nicht in ihren eigenen Betten. Die müssen dann raus, bei Sechs- oder Achtbett-Zimmern geht das halt nicht", erzählt der Barkeeper. Für solche Jobs ist hier das Sicherheitspersonal zuständig. Sie patrouillieren durch das Gebäude und mahnen die Gäste zur Vernunft. "So richtigen Stress gibt's selten. Meistens sind es kleine, hausinterne Streitereien, die aber schnell beigelegt sind", sagt ein Sicherheitsmitarbeiter. Beschwerden über den Lärmpegel, den die laute Musik der Party verursacht, gebe es während der Wiesn wenige.

Bis halb fünf Uhr dauert die Schicht für das Personal meistens, dann ist die Party vorbei, bis zum nächsten Abend. "Du schaust auch schon ganz schön müde aus. Geh hoam, Bua!", rät der Security. Es ist nicht einfach, ein Wiesn-Tourist zu sein. Was für die einen Urlaub ist, ruft bei anderen nur einen Wunsch hervor: Den nach Entspannung.

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