Ärger über Ausschreibung:Innere Mission verlässt Ankunftszentrum

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Die Sozialbetreuer für Flüchtlinge wollen ihre Arbeit in der Einrichtung nicht einem Objektmanager unterordnen

Von Inga Rahmsdorf

Das Ankunftszentrum ist die erste Station für Flüchtlinge in München. Bevor sie dort das Prozedere der medizinischen Untersuchung und Registrierung durchlaufen, werden sie von Mitarbeitern der Sozialbetreuung empfangen, die ihnen helfen und sie beraten. Seit die Regierung von Oberbayern das Ankunftszentrum (AZ) im Juli 2015 eröffnete, hat ein Team der Inneren Mission (IM) München die Flüchtlinge sozial betreut. Doch in einer Woche soll es damit vorbei sein. Der Wohlfahrtsverband hat am Donnerstag erklärt, dass er nicht länger dort arbeiten werde, weil der Aufgabenbereich der Sozialbetreuung deutlich abgewertet werden soll.

Grund dafür ist eine europaweite Ausschreibung der Regierung von Oberbayern. Diese sieht vor, die Sozialbetreuung künftig einem Dienstleister zu unterstellen, der ebenfalls zuständig ist für das Catering, die Bewachung, den Hausmeisterdienst und die Reinigung. Demnach würde die Regierung von Oberbayern künftig einem Objektmanager die Verantwortung für das Ankunftszentrum übertragen. Damit könne der Objektmanager auch vorgeben, wie die Sozialbetreuung aussehen soll, befürchtet die IM. Das widerspreche jedoch ihren Grundsätzen und ihrer diakonischen Aufgabe. Die Innere Mission, die bereits seit Jahrzehnten Flüchtlinge sozial betreut, befürchtet, dass sie künftig nicht mehr so eigenständig arbeiten kann, wenn sie einem Objektleiter gegenüber weisungsgebunden ist. Den Wohlfahrtsverbänden kommt bei der sozialen Betreuung und Beratung meist nicht nur die Aufgabe zu, die Menschen zu unterstützen, sondern auch die Belange der Flüchtlinge im Blick zu behalten und gegebenenfalls auf Missstände aufmerksam zu machen.

"Wir bedauern sehr", sagt Regierungssprecherin Simone Hilgers , dass die Innere Mission München sich nicht an der Ausschreibung beteiligen wolle. Gerade auch, weil die Innere Mission das AZ bisher sehr kooperativ und kollegial unterstützt und begleitet habe. Die Gesamtverantwortung des Ankunftszentrums bleibe "selbstverständlich wie bisher bei der Regierung von Oberbayern", sie werde auch die Gesamtsteuerung behalten, sagt Hilgers. Der Objektmanager sei zuständig für die Koordination der Gesamtabläufe, aber nicht befugt dazu, inhaltliche Vorgaben zu machen, "wohl aber darauf zu achten, dass die Aufgabenerfüllung aller Beteiligten reibungslos ineinander greift." Die europaweiten Ausschreibung sei erforderlich, da es nun um mehrjährige Aufträge geht.

Im Ankunftszentrum sind die Mitarbeiter der Sozialbetreuung täglich von 7.30 bis 23.30 Uhr im Einsatz. Die Innere Mission leistet auch in der Erstaufnahmeeinrichtung der Bayernkaserne Sozialberatung sowie in weiteren Flüchtlingsunterkünften. Dass dieser Bereich einem Dienstleister unterstellt werden soll, so etwas habe es bisher in dieser Form noch nie gegeben, weder in der Zusammenarbeit mit der Stadt München noch mit der Regierung von Oberbayern, sagt Andrea Betz, Abteilungsleiterin für Flüchtlinge, Migration und Integration bei der Inneren Mission. "Damit wird der Stellenwert der Sozialbetreuung deutlich abgewertet, sie ist nur noch Dienstleister eines anderen Dienstleisters. Das ist mit unserem diakonischen Selbstverständnis nicht vereinbar", sagt Betz. In dieser Konstellation sei es nicht mehr möglich, die Belange der Flüchtlinge angemessen zu vertreten. "Die Unterstellung unter produktorientierte Dienstleistungen trifft die sozialen Dienste im Mark", kritisiert auch Günther Bauer, der Chef der Inneren Mission.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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