Adventsserie: Stille Zeiten:Philosoph im Fluss

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Isarfischer Frank Meißner. (Foto: Robert Haas)

Isarfischer Frank Meißner versucht, zu denken wie die Forellen

Von Birgit Lotze

Für Isarfischer Frank Meißner ist die Isar ein paradiesisches Geschenk der Natur. Beim Angeln vergesse man die Großstadt. "Der Fluss ist jeden Tag anders." Etwas zu fangen, sei nicht immer einfach, man müsse dem Fluss etwas entlocken. "Ein Fisch ist im Trüben, ich weiß ja nicht, was unter Wasser ist." Es gebe ja keine Wegweiser am Wasser, man müsse sich schon selbst alles erarbeiten, auf die Pirsch gehen, gute Plätze finden.

Ein Angler, der schweigend mit der Angel in der Hand am Wasser sitzt oder im Wasser steht, auf die Schnur schaut und wartet, dass der Köder am Haken einen Abnehmer findet. So nimmt vielleicht ein Passant die Situation wahr. Man sei versunken in die Natur, ja, sagt Frank Meißner. "Aber in dieser vermeintlichen Entspannung liegt viel Anspannung." Der Biss erfolge im Bruchteil einer Sekunde. Sei man dann nicht absolut wach, sei der Moment vorbei. Der Fischer müsse alle Sinne beieinander haben, so beschreibt es Meißner.

Frank Meißner, sonst ist er BR-Redakteur und Drehbuchautor, angelt seit Jahrzehnten. Er ist im erweiterten Vorstand des Vereins Isarfischer und weiß bereits jetzt, dass die Angel und die Isar ihn sein Leben lang begleiten werden. Diesmal ist er mit einer Schnur unterwegs, will fliegenfischen. Er hat die Federfliege zusammengebastelt, dafür vorher die Umgebung beobachtet, je nachdem, welches Tierchen wie und wo fliegt, auch Insekten reagieren jeden Tag unterschiedlich. Meißners Federfliege muss sich da anpassen, sonst wird kein Fisch auf sie hereinfallen. Meißner steht mitten in der Isar, spannt die Rute und lässt die Fliege samt Haken nach vorne schnellen wie eine Peitsche. Einmal, zweimal, dreimal - jedes Mal fliegt die Schnur ein paar Meter weiter, das ist nicht nur Sport, es ist auch eine Kunst - die Köderfliege ist fast schwerelos und fliegt so doch bis zu 20 Meter weit.

Meißner geht gerne flussabwärts, von der Stadt-Isar bis nach Garching. Die Fliege treibe mit der Strömung, der Fisch sehe dann zuerst sie, der Fischer laufe hinter dem Köder. "In den Fisch muss man sich hereinversetzen. Man muss wissen, was ihn umtreibt." Der Fisch steht im Strömungsschatten, versteckt sich vor dem Kormoran und dem Gänsesäger, lebt in seinem Revier, wo er Bescheid weiß. Und er hält sich dort auf, wo er wenig Aufwand vermutet, Kraft spart, beim Lauern auf Beute. Wo sich vielleicht eine Larve nicht festhalten kann. Schwupps, ist sie verspeist.

Dann treibt die Fliege kurz auf der Wasseroberfläche, sinkt. Meißner spürt ein Ruckeln, eine Forelle. Der Angler tötet das Tier. "Das ist der Haken an der Sache", sagt Meißner. Doch einem Angler sei bewusst, was für ein wildes, hochwertiges Lebensmittel er gefangen habe, wenn er es dann zubereite und verspeise. Gerade Isarforellen seien besonders lecker. "Der Fisch bekommt auch eine Würdigung, er hat Wert."

Sich Zeit zu nehmen ist eine Kunst. Davon erzählt der Adventskalender der Stadtviertel-Redaktion. Am Freitag: Münchens letzte Kutscherei.

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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