Leonardo da Vincis "Mona Lisa" - wie mag wohl die Farbe ihrer Haut damals um 1504 geleuchtet haben, als der Meister die Arbeit an diesem Auftragswerk begann? War sie rosig? Und der Himmel im Hintergrund lapislazuli-blau? Firnisschicht über Firnisschicht liegt auf dem mysteriösen Lächeln, das Gewand der Gioconda ist lichtundurchlässig duster. Auch auf der Kopie des berühmtesten Gemäldes der Welt, das eingangs der Werkstatt über den gerahmten Diplom-Urkunden von Laura Lun und Veronika Disl () hängt. Wie alle ihrer Zunft würden die beiden Restauratorinnen wohl nur zu gerne die Geheimnisse von Leonardos Pigmenten lüften, und wie alle seriösen Kunstbewahrer wissen sie, dass dies allenfalls kontaktlos mit Nanotechnologie denkbar ist.
"Mona Lisl" nennen die beiden ihr kleines Unternehmen, das im ersten Stock der Münchner Gewerbehöfe im Westend untergebracht ist. "Das klingt bayrisch und bleibt gut im Ohr", sagt Veronika Disl. Sie und Laura Lun, beide Jahrgang 1986, haben sich bei der Aufnahmeprüfung an der Münchner TU kennengelernt und schon während ihres Studiums beschlossen, später einmal gemeinsam eine Restauratoren-Werkstatt aufzubauen. 2014 war es dann so weit, Firmengründung, der Sprung ins kalte Wasser, ohne Kredite. Die gemütliche Werkstatt mit den vielen Gemälden und Artefakten an den Wänden - vor fünf Jahren, erzählen sie, sei das noch ein nackter Raum gewesen; blanker Estrichfußboden, kein Licht, keine Steckdosen, kein Wasseranschluss. Furchtlos und ohne sich groß den Kopf zu zerbrechen sind sie damals einfach losgelaufen, um ihren Traum zu verwirklichen. Heute haben sie zwei Angestellte, ein großes Netzwerk an Subunternehmern und sind gut im Geschäft.
Gerade wartet eine historische Krippe samt Personal darauf, unterm Weihnachtsbaum wieder eine gute Figur zu machen. "Da müssen wir uns ranhalten, die kam relativ spät rein", sagt Veronika Disl. Grundsätzlich aber arbeiten die jungen Frauen in einem Beruf, in dem Exaktheit, nicht Geschwindigkeit die Prämisse ist. Und immer sollen die Eingriffe ins Original so gering wie irgend möglich sein. Wie OP-Chirurginnen kommen sie einem vor, mit all diesen Schubfächern voller Pinzetten, dem Zahnarztbesteck. Wie Alchemistinnen, die mit wundersamen Lösungen und Wässerchen experimentieren. Und dabei - auch schon vor Corona - oft Masken tragen müssen. Wenn Laura Lun mit ihrer Stirnlupe tief in ein Gemälde eingetaucht ist, kann sie schon mal die Zeit vergessen. "Dann ist es draußen dunkel geworden, ohne dass ich es bemerkt hab'." Sei es, dass sie einen Bajuwaren-Kamm aus dem Pasinger Gräberfeld mit dem Pinsel reinigt, ein antikes Mosaik sortiert oder aktuell die Malschichten eines Madonnenbildes untersucht, das auf einer Staffelei Bewunderung einfordert. Doch ob es wirklich barock ist? Laura Lun und Veronika Disl, Geduldsprofis, die sie sind, bekommen das bestimmt heraus.
Sich Zeit zu nehmen ist eine Kunst. Davon erzählt der Adventskalender der Stadtviertel-Redaktion. Am Samstag: der Kanute Erich Konopicky.