Adventsserie: Stille Zeiten:Ein Mann, ein Text und lange Nächte

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Maximilian Murmann. (Foto: Rena Lorenz/oh)

Maximilian Murmann übersetzt aus dem Finnischen

Von Jutta Czeguhn

Urwaldhafte Einsamkeit". Was für ein Sprachbild! Gar nicht weiterlesen kann man, weil das so intensiv nachhallt. Komplimentieren möchte man Maximilian Murmann () dafür. Doch der wehrt ab. Denn diese poetische Vermählung zweier Worte stammt von Karl Ristikivi, den sie auch den "Kafka aus dem Baltikum" nennen. Sein Klassiker "Die Nacht der Seelen" erschien vergangenes Jahr erstmals auf Deutsch (Guggolz Verlag, Berlin). Es war Maximilian Murmanns erste Romanübersetzung. Eine Arbeit, sagt der promovierte Sprachwissenschaftler, die "einige Zeit in Anspruch genommen" habe.

Knapp 400 Seiten Literatur noch einmal auf die Welt bringen - Homeoffice-Novizen stellen sich das als höchst diffizile Angelegenheit vor, zumal als eine recht einsame. Ein Mensch, ein Computer-Bildschirm und das Buch. "Ja und nein", sagt Murmann, "wenn ich in einer Übersetzung bin, dann gibt es außer dem Text meistens nicht viel". Es sei denn, er müsse etwas dazu recherchieren, wie etwa bei jener Kurzgeschichte über eine Elchjagd, da musste er einen Münchner Förster zu Rate ziehen. Besonders schön sei es, sagt Murmann, wenn er mit den Autoren selbst in Kontakt komme. "Die sind dann auch immer sehr offen für Fragen." Per Mail, per Skype oder auch am Telefon. Einmal, kurz bevor ein Buch in Druck ging, habe er den Autor via SMS gerade noch erwischt. "Der war auf einer Kanufahrt auf den Seen Finnlands unterwegs." So etwas kann einem wohl nur mit Literaten aus dem hohen Norden passieren.

Überhaupt, wie entbrennt bei jemandem, der 1987 im mittelfränkischen Treuchtlingen geboren wurde, die Liebe zu vermeintlich unlernbaren Sprachen wie Finnisch, Ungarisch oder Estnisch? "Über die Musik", sagt Maximilian Murmann und meint erst mal eine erzlaute finnische Melodic Death Metal Band ("Jugendsünde"). Jean Sibelius kam später, früh jedoch Reisen nach Finnland, wo er dann unter anderem studiert hat: Finnougristik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistische Linguistik. Im Finnougristik-Institut erreicht man Murmann auch am Telefon. Wenn er nicht zu Hause am Schreibtisch sitzt, koordiniert er von der Uni aus ein Projekt zwischen europäischen Finnougristik-Lehrstühlen.

Am Ende des Gesprächs muss man noch einmal auf die Einsamkeit des Übersetzers zu sprechen kommen. Denn mit der Eremitage ist es nicht so weit her, Maximilian Murmann hat zwei kleine Kinder. Und während der harten Phase des Lockdowns kam er eher abends und nachts zum Arbeiten. Stille fand er dann allerdings im Sujet, Murmann hat eine Grafic Novel über das Leben des estnischen Kultkomponisten Arvo Pärt, dem Meister der Stille, übersetzt. Das Werk von Joonas Sildre erscheint im Januar.

Sich Zeit zu nehmen ist eine Kunst. Davon erzählt der Adventskalender der Stadtviertel-Redaktion. Am Montag: die Handweberin aus dem Westend.

© SZ vom 12.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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