Adabeis der Münchner Society:Kleines Teppich-Einmaleins

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Schon Helmut Dietl hat in "Kir Royal" Adabei-Typen wie den Promi-Zahnarzt, das It-Girl oder den Schwerreichen beschrieben. (Foto: dpa/WDR)

Der Promi-Zahnarzt, der Schwerreiche, das It-Girl: Schon Helmut Dietl hat sie in "Kir Royal" beschrieben. Bis heute sind solche Adabeis essenziell für das Funktionieren der Münchner Society-Partys. Doch warum werden sie eingeladen?

Von Philipp Crone

Vor einem Jahr, es war dunkel und eisig auf der Maximilianstraße, da trug sich eine typische Adabei-Szene zu. Eine Dame, sie steht seit Jahren auf jeder Gästeliste der Münchner Society, stöckelte zitternd zum roten Teppich, der vor einem der Edelshops ausgerollt war. Ein Modegeschäft hatte geladen, der Champagner prickelte in den Gläsern, und die Fotografen draußen vor der Tür warteten auf Prominente.

Prominente sind in dem Fall solche Vertreter der Gesellschaft, deren Bilder am Tag nach einem Gesellschaftsfest in den Boulevardzeitungen der Stadt abgedruckt werden. Sie machen nur einen kleinen Teil der Gäste aus, eine andere Gruppe ist größer: die Adabeis, die eben auch dabei sind. Es sind Gäste, deren Bild fast nie auf einem Zeitungsfoto oder in einer der Boulevard-Fernsehsendungen auftaucht, zum Beispiel auch die Dame, die an diesem Abend zum Teppich schreitet. Warum kommen diese Leute? Warum werden sie seit Jahrzehnten eingeladen?

Die Dame heißt Ursula Dämmrich von Luttitz, ist Fernsehmoderatorin und wird von den Fotografen an diesem Winterabend nicht beachtet. Sie steht vor dem roten Teppich, überprüft noch einmal ihr Make-up. Und wartet. Es sind Sekunden, in denen das Dilemma dieser Figuren sichtbar wird. Hier wird die Abhängigkeit umgedreht. Während sonst die Fotografen frierend auf die Ankunft der vermeintlichen, heimlichen oder manchmal auch wirklichen Stars warten und dann oft auch mit einer mürrischen Pose abgespeist werden, wartet nun der Adabei, dass sich ein Kameramann oder Fotograf erbarmt.

Man sieht, wie wichtig für manche der Moment ist, in dem sie abgelichtet werden oder - eine Stufe besser in dieser Welt von Glitzer und Glamour - vor ein Mikrofon gebeten werden. Ein abgedrucktes Foto garantiert die nächsten Einladungen. Und wer nicht fotografiert wird, dem droht die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit.

Gruppen und Kategorien

Dämmrich von Luttitz steht eine ganze Minute in der Kälte: Ewigkeiten auf dem roten Teppich. Dann greift sie zum letzten Mittel, geht auf einen der Fotografen zu und grüßt ihn. Natürlich kennt man sich von den Jahren der Begegnungen auf den Teppichen der Stadt. Er drückt den Auslöser und der Blitzlichtautomatismus setzt ein. Alle sichern sich das Motiv, auch wenn sie es am Abend wieder löschen werden. Die Moderatorin ist bei fast jeder Gesellschaftsfeier, aus dem einfachen Grund - weil sie eben schon immer da war. Sie gehört zur Gruppe der etablierten Adabeis.

Gruppen und Kategorien: Die Boulevardwelt liebt solche Einteilungen, denn die Grenzen zwischen den verschiedenen Prominenten der Klassen A bis C oder die Art der Adabeis sind klar definiert.

Ein A-Promi ist etwa Boris Becker. Zu dieser Kategorie gehören die bekanntesten deutschen Sportler, Musiker oder Kinodarsteller, Regisseure und Produzenten wie Moritz Bleibtreu, Michael "Bully" Herbig, Til Schweiger und natürlich, A mit Stern gewissermaßen, jeder mit internationalem oder gar Hollywood-Flair. Wenn Tom Cruise zur Premiere lädt, macht erst recht keiner mehr ein Foto von Dämmrich von Luttitz.

Wenn irgendwo zu einem Empfang oder einer Eröffnung eine A-Person auftaucht, ist das für die Boulevard-Medien ausreichend, um zu berichten. Was der eigentliche Anlass der Einladung ist, spielt dabei keine Rolle. Ein A oder einige B, so lautet eine weitere Regel. Wenn also ein Gastgeber einlädt, wie im vergangenen Winter auf der Maximilianstraße, wissen die PR-Agenturen, wie eine Gästeliste aussehen muss. Stehen auf der mindestens drei B-Namen, steigt die Wahrscheinlichkeit der Berichterstattung ebenso. Typische B-Vertreter sind Tatort-Kommissare. Die sind gern gesehen, weil sie vor der Kamera verwertbare Dinge erzählen.

Die Zahl der Vertreter einer Kategorie nimmt mit ansteigenden Buchstaben stark zu. Kategorie C ist bereits ein weites Feld. Darunter fallen fast alle Moderatoren und Models, was in der Film- und Fernsehstadt München eine unüberschaubare Zahl ist. Dazu kommen die mit dem Präfix Ex-. Die Ex-Freundin von Ex-Torwart Oliver Kahn oder Schauspieler Dominic Raacke, von Lothar Matthäus sowieso, aber auch von Michael Ballack, Fritz Wepper oder der Ex von Christine Neubauer.

Nach C folgt der Adabei, da sind die Grenzen ein wenig fließend. Doch auch wenn er wie Dämmrich von Luttitz am Ende der Teppich-Hierarchie steht und manchmal etwas verloren wirkt: Für die Münchner Gesellschaft ist diese Kategorie essenziell.

Das hat zwei Gründe. Zum einen muss es weniger wichtige Personen geben, damit überhaupt die besonders wichtigen zu erkennen sind. VIPs können nur im Rampenlicht erstrahlen, wenn es auch Schatten gibt, in dem andere stehen. Manchmal, ganz selten, steht plötzlich ein A neben einem C, und C schafft es so unverhofft auf eine Hochglanzseite oder für ein paar Fernsehsekunden in taff, Leute heute, Brisant oder Explosiv.

Es geht schlicht um Masse

Zum anderen geht es auch schlicht um Masse. Nicht einmal München hat ausreichend A-Vertreter, um damit die etwa einhundert Gesellschaftsveranstaltungen des Jahres zu füllen, auf denen jeweils mindestens hundert Gäste zugegen sind. Ohne B und tiefer wären die Empfänge nur Familienfeiern und damit kein ausreichend großer Rahmen für die Inszenierung der Society.

Einmal kategorisiert, kann der Gesellschaftsgast meist nicht mehr viel ändern. Ausnahmen sind Jungschauspieler. Friedrich Mücke etwa, er war in Münchens Geltungsrangliste zunächst gar nicht geführt als Schauspieler am Volkstheater, stieg dann mit dem Film "Friendship!" bei C ein und ist nun - nach "What a man" und "Russendisko" - bei B angekommen. Für A fehlen noch etwa drei Kinoerfolge als Hauptfigur.

Andere stecken hingegen seit Jahren fest. Zum Beispiel der Anwalt Ulrich Hieronimi oder die Schauspielerinnen Noemi Matsutani und Sheila Malek. Dabei gibt es zu diesen Adabeis doch immer kleine Geschichten zu erzählen. Über Hieronimi, der mit der Champagner-Vermarkterin Alexa Agnelli liiert ist und bei Einladungen zum Entertainer wird, über die Balletttänzerin Matsutani aus Transsilvanien, die nach der Trennung von Regisseur Rainer Matsutani nun alleine auf Rollen-Akquise gehen muss oder über Malek, die von Filmemacher Klaus Lemke entdeckte Darstellerin in seinem Film "Schmutziger Süden", ehemalige Miss Bayern und heute plastische Chirurgin.

Schon Helmut Dietl hat in "Kir Royal" Adabei-Typen wie den Promi-Zahnarzt, das It-Girl oder den Schwerreichen beschrieben, den Mario Adorf sein wunderbares "Ich scheiß dich zu mit meinem Geld" knurren lässt. Und den Medien-Mechanismus erklärte er gleich dazu: Wer es einmal in den Kreis der Gästelisten geschafft hat, fällt so schnell nicht raus. Schon eine gelegentliche Mini-Erwähnung in einem Gesellschaftsartikel unter "auch da waren:" reicht. Manche wie Dämmrich von Luttiz sind Adabeis seit Jahrzehnten. Höchste Zeit, diese Gruppe einmal eingehend zu betrachten.

© SZ vom 16.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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