Abiturprüfungen:Schuldirektor suspendiert, weil er Schüler bevorzugte

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Der Direktor des Münchner Thomas-Mann-Gymnasiums soll einen Schüler immer wieder bevorzugt haben. (Symbolbild) (Foto: dpa)

Eklat am Münchner Thomas-Mann-Gymnasium: Weil er einem Schüler vorab Zugang zu Prüfungsaufgaben verschafft haben soll, ist der Direktor suspendiert worden. Angeblich hat er den Schüler schon zuvor auffällig begünstigt.

Von Katja Riedel

Es soll eine wundervolle Aufführung gewesen sein, am 20. März in der Hochschule für Musik. Chor und Orchester des städtischen Thomas-Mann-Gymnasiums (TMG) führten beim Konzert der städtischen Gymnasien Vivaldis Gloria auf. Oberstudiendirektor Jörg L., der Schulleiter, betreute die jungen Musiker höchstselbst. Eine "tolle Leistung", schwärmt der Elternbeirat auf seiner Homepage.

Doch die Stimmung im Kollegium war zu diesem Zeitpunkt alles andere als toll. Denn aus Sicht vieler Lehrer kümmerte sich ihr Schulleiter allzu intensiv um einen Schüler der zwölften Klasse. Und nicht nur Schüler des TMG wussten von diesem Verdacht, sondern nach SZ-Informationen auch die Stadt, die mögliche Zeugen befragte, nachdem Lehrer dem Referat für Bildung und Sport (RBS) von dem engen persönlichen Kontakt berichtet hatten.

Stadtschulrat Rainer Schweppe, der das Referat leitet, darf sich zum laufenden Verfahren nicht äußern, bestätigte der SZ aber die vorläufige Suspendierung. "Ich möchte betonen, dass allgemein, jenseits dieses Verfahrens, solche Fälle bei Bekanntwerden unverzüglich weitergeleitet und mit neutraler Brille geprüft werden", sagte Schweppe am Sonntag. In allen Referaten der Stadt ist es üblich, Vorwürfen nicht selbst nachzugehen, sondern unverzüglich eine andere Stelle zu informieren. In Personalangelegenheiten übernimmt das Personal- und Organisationsreferat (POR).

Immer wieder bevorzugt?

Dieses hat nun gegen Oberstudiendirektor Jörg L., 61, und Lehrkraft für Ethik und Musik, eine vorläufige Suspendierung ausgesprochen. Im Raum steht der Vorwurf, dass der Musiklehrer und Schulleiter den Musikschüler regelmäßig bevorzugt haben soll - was zuletzt darin gegipfelt haben könnte, dass er ihm womöglich Zugang zu den Abituraufgaben und Abiturlösungen verschafft hat.

Auffällig war zuvor, dass er ihm gerade bei großen Musikprojekten eine geradezu leitende Stellung gegeben hatte; manche Lehrkräfte fühlten sich daher brüskiert. Mehr noch: Der Schulleiter soll ihn bei schlechten Leistungen und disziplinarischen Problemen stets verteidigt haben. Mehrere Kollegen weigerten sich deshalb aus Angst vor Konsequenzen des Chefs, offen gegen den vermeintlichen Günstling zu reden.

Es hat einen Grund, dass das Personalreferat Jörg L. nun vorläufig suspendiert hat: Der Schulleiter soll seinem Lieblingsschüler geholfen haben, die Abitur-Klausur ausgerechnet im Fach Musik zu manipulieren. Jörg L. soll, so berichten Mitglieder des Kollegiums dem Münchner Merkur, schon vor Beginn des Abiturs den versiegelten Umschlag mit den Prüfungsunterlagen geöffnet haben - womöglich, um den Schützling vorab zu informieren. Jörg L. war für die SZ bislang zu einer Stellungnahme nicht erreichbar. Er hat die Vorwürfe jedoch öffentlich bestritten.

Keine Überraschung

Konkret wurden die Vorwürfe, als der Zweitkorrektorin auffiel, dass die Klausur des Schülers fast wortgleich dem offiziellen Erwartungshorizont entsprach. Sie meldete dies aufgrund ihres Verdachts gegen diesen selbst nicht ihrem direkten Dienstvorgesetzten und auch nicht dem Schulreferat, sondern gleich dem Kultusministerium. Damit handeln sich Lehrer üblicherweise einen Verweis ein, weil sie den Dienstweg missachten.

Für das Kollegium kam der schwere Verdacht auf möglichen Betrug beim Abi nicht überraschend. Denn nach SZ-Informationen hatte der Personalrat der Schule bereits vor Ostern Oberstudiendirektor Jörg L. ausdrücklich gebeten, nicht die Oberaufsicht über das Abitur auszuüben - das Misstrauen gegenüber Jörg L. war zu diesem Zeitpunkt offenbar schon groß.

Es gab Gerüchte, der Schulleiter habe seinem Lieblingsschüler bereits während des Schuljahres geholfen, als dieser Klausuren nachschreiben musste. Auch damals seien Arbeiten im Wortlaut erstaunlich nahe an den Ideallösungen gewesen, sagen Zeugen der SZ. Deshalb wollten große Teile des Kollegiums das Abitur ohne Jörg L. über die Bühne bringen - weil auch sein vermeintlicher Günstling zu prüfen war. Doch der Schulleiter zog das Abitur wie gewohnt durch, aus dem RBS kam kein Veto. Bei der Verabschiedung der Abiturienten Ende Juni hieß es dann, Schulleiter Jörg L. sei leider kurzfristig erkrankt.

© SZ vom 22.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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