Schweden:Macht gegen Seele

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Die bürgerlichen Parteien tun so, als wären die rechtsextremen Schwedendemokraten eine normale Partei. Nur damit sie die Regierung stellen können. Und sie gefährden auch den Wesenskern der Demokratie.

Kommentar von Kai Strittmatter

Schweden, ausgerechnet. Mit Rechtspopulisten schlagen sich ja viele herum, aber die Schwedendemokraten (SD) - gegründet von Alt- und Neonazis - haben eine besonders unappetitliche Vergangenheit. Formell sind sie nicht Teil der neuen Regierung, in Wirklichkeit ist diese Minderheitsregierung von ihnen abhängig: Die SD sitzen nun mit am Tisch der Macht.

Vor allem die Bürgerlichen tun deshalb so, als seien die SD mittlerweile eine normale Partei. Deshalb zur Erinnerung: Die SD sind die Partei, in deren Reihen unmittelbar vor der Wahl mehr als 200 Funktionäre identifiziert wurden, die durch Rassismus oder Teilnahme an Neonazi-Veranstaltungen aufgefallen waren. Es ist die Partei, auf deren Wahlparty ein prominentes Mitglied den Arm erhob und etwas rief, das verdammt ähnlich klang wie die schwedische Entsprechung zu "Sieg Heil". Es ist die Partei, von der die Bürgerlichen sich nun in ihr gemeinsames Programm haben diktieren lassen, Ausländer dürften keinen "mangelhaften Lebenswandel" pflegen und sich "nicht in einer Weise verhalten, die der Bevölkerung missfällt", ansonsten sei eine Abschiebung zu prüfen.

Schwedendemokrat Jomshof nennt Journalisten auch mal "Feinde des Volkes"

Im Ernst? Wer entscheidet denn über solches Wohlbenehmen? Vielleicht SD-Mann Richard Jomshof, der einmal zum Bild einer verschleierten Frau, die sich in schwedische Tracht gekleidet hatte, twitterte, das sei eine "Vergewaltigung" Schwedens? Jomshof, der Journalisten auch "Feinde des Volkes" nennt, ist übrigens neuer Vorsitzender des Rechtsausschusses im Parlament, gewählt mit den Stimmen seiner neuen bürgerlichen Partner.

In ihrem Hunger nach Macht haben die Bürgerlichen und die Liberalen der extremen Rechten nun beispiellosen Einfluss zugeschanzt. Es sei eben ein "Geben und Nehmen", hat sich der liberale Parteichef am Montag verteidigt. So ist das wohl: Man nimmt die lang ersehnten Ministerposten und man gibt ein Stück seiner Seele, und ehe man sich's versieht, hat man die Seele der Demokratie noch obendrauf gelegt.

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