Profil:Natsuo Yamaguchi

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Die Partei Komeito von Natsuo Yamaguchi regiert mit der LDP in Japan. Die pazifistische Verfassung beurteilen sie eher verschieden. (Foto: Reuters)

Friedliebender japanischer Politiker, der wegen Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine seine pazifistischen Grundsätze über Bord werfen muss.

Von Thomas Hahn

Es ist nicht so, dass Komeito-Chef Natsuo Yamaguchi nicht lachen könnte. Es gibt viele Bilder vom Vorsitzenden des kleineren Partners in der japanischen Regierungskoalition, auf denen er richtig gelöst aussieht. Aber auf das Wahlplakat für die japanische Oberhauswahl am Sonntag sollte eben kein lachender Yamaguchi, sondern ein staatstragender, entschlossen in die Ferne blickender. Das hat nur bedingt geklappt: Yamaguchis Konterfei wirkt vor dem blauen Hintergrund seltsam eingefroren und abwesend. "Mit Verantwortung bringen wir Japan nach vorne", steht auf dem Plakat. Aber zu sehen ist ein Politiker, der sich nicht wohlzufühlen scheint mit dieser Verantwortung.

Verdenken könnte man es Natsuo Yamaguchi nicht, wenn es tatsächlich so wäre. Denn der 69-Jährige und seine Partei haben sich in diesem Wahlkampf praktisch von ihrem pazifistischen Profil verabschiedet. In der japanischen Politik steht Yamaguchi gerade da wie die Symbolfigur des allgemeinen Aufrüstens, das Russlands Angriff auf die Ukraine ausgelöst hat. Seit 2009 ist Yamaguchi Komeito-Chef, seit 2012 in der Koalition mit der rechtskonservativen Machtpartei LDP. Besonders viel zu melden hatte Komeito in dem Bündnis nie. Aber seine Partei wurde als Partnerin gebraucht, weil die LDP sonst keine Mehrheit gehabt hätte. Deshalb konnten Yamaguchi und seine Leute ihre friedensbewegte Grundhaltung fast immer behaupten.

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Aber jetzt zeigt Japans Nachbar Russland, dass autoritäre Staaten unberechenbar sind. Die Angst vor China und Nordkorea ist gewachsen. Die LDP-Regierung hat gute Argumente für einen verdoppelten Rüstungsetat und Raketen zur Abschreckung. Mit rechten Oppositionsparteien sieht sie außerdem die Chance, nach der Wahl auch im Oberhaus eine Zwei-Drittel-Mehrheit zusammenzubekommen, mit der sie die Reform der pazifistischen Verfassung anschieben könnte. Und Komeito? Macht mit. Mitte Juni stellte Natsuo Yamaguchi das neue Wahlprogramm vor und sagte: "Wir würden die Öffentlichkeit gerne davon überzeugen, dass es notwendig ist, Japans Verteidigung, die Abschreckung der Japan-US-Allianz und die Antwortfähigkeiten zu stärken."

Die Partei Komeito entstand aus einer buddhistischen Laienorganisation

Komeito, die "Partei für saubere Politik", wurde 1964 von Mitgliedern der buddhistischen Laienorganisation Soka Gakkai gegründet. Sie mauserte sich zunächst zur Oppositionskraft, durchlebte Krisen, sortierte sich neu. Und machte sich ab 1999 als gemäßigter Partner der schwächer werdenden LDP unentbehrlich. Skandale und der Lehman-Schock kosteten die Koalition 2009 die Mehrheit. Jurist Yamaguchi, geboren in Hitachinaka, Präfektur Ibaraki, Parlamentarier seit 1990, wurde der Komeito-Chef des Neuanfangs. Er war eine Idealbesetzung für die Partei mit ihrem humanistischen Ansatz: erfahren, ausgleichend, sachlich. Und: Er hatte nie ein Schlüsselamt bei Soka Gakkai, sondern wurde - nach eigener Auskunft - als junger Anwalt Parlamentskandidat.

Komeitos Nähe zu der Buddhisten-Bewegung hat die Partei immer wieder dem Verdacht ausgesetzt, gegen die gesetzlich vorgeschriebene Trennung von Politik und Religion zu verstoßen. Aber Komeito sagt, sie sei eine frei zugängliche Partei, die von Soka Gakkai nur unterstützt werde. Wirklich angezweifelt wird Komeito heute nicht mehr. Von der LDP gebraucht zu werden, ist ihr Schutz. Und der freundliche Natsuo Yamaguchi hat zum verbesserten Image sicher beigetragen. Auch in diesem Wahlkampf sieht er zu, dass seine Grundsätze im sicherheitspolitischen Zeitgeist nicht ganz untergehen. Für umweltfreundliche Wasserstofftechnologie hat er geworben. Und den Premierminister Fumio Kishida dafür kritisiert, niemanden zur Atomverbotskonferenz in Wien geschickt zu haben.

Aber das ändert ja nichts: Natsuo Yamaguchi hat schon nichts gegen den Rechtsruck der LDP tun können. Jetzt muss seine Partei Japans Aufrüstung mitbetreiben. Historische Zeiten - nicht schön für eine friedliebende Seele.

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