Erschossene Polizisten in Kusel:Die heikelste Form der Fahndung

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Polizeibeamte sperren die Kreisstraße 22 bei Kusel, an der zuvor zwei Polizisten bei einer Verkehrskontrolle erschossen worden waren. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

So schrecklich der Mord an den beiden Polizisten gewesen ist, so schnell und effektiv handelte die Polizei. Das ist ein Erfolg und im Schmerz ein kleiner Trost. Dahinter aber lag ein schwieriger Abwägungsprozess.

Kommentar von Stefan Braun

Der Schrecken der Nacht traf ins Mark. Zwei junge Menschen, eine 24-jährige Polizeianwärterin und ihr 29-jähriger Kollege, wurden wie aus dem Nichts morgens um 4.20 aus dem Leben gerissen. Auf einer Landstraße, während einer vermeintlich normalen Polizeikontrolle, nach einem letzten Funkspruch "Die schießen". Viel schlimmer kann es kaum kommen: blanke Gewalt, die tötet und ein ganzes Land entsetzt zurücklässt.

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Umso beruhigender wirkte es, dass die beiden zunächst Hauptverdächtigen noch am selben Tag festgenommen werden konnten. Zum Schmerz der Angehörigen und dem Entsetzen der anderen Menschen kam noch am Abend die Botschaft hinzu, dass - wenn alles gut geht - von den beiden wahrscheinlichen Tätern keine Gefahr mehr ausgeht.

Je brutaler die Tat, je lauter der Ruf nach einer schnellen Antwort

Über den Tag hinweg war das noch die weitergehende Angst gewesen: dass noch mehr Menschen in Gefahr sein könnten. Bis zum Abend wurde die Bevölkerung gewarnt, blieben Gebiete gesperrt, schienen weitere Schreckenstaten möglich zu sein. Erst als die Festnahmen gemeldet wurden, löste sich eine Anspannung, die sich an diesem 31. Januar 2022 nicht nur auf die Region rund um den Tatort, sondern durch eine bundesweite mediale Begleitung weit darüber hinaus ausgebreitet hatte.

Für die Polizei und die Sicherheitsbehörden ist das mindestens eine wichtige Zwischenetappe, vielleicht sogar ein großer Erfolg. Je heftiger und grausiger die Tat, desto lauter ist der Ruf nach einer schnellen Antwort. Kann der Rechtsstaat das? Findet er die Mörder? Kann er die Sicherheit der Menschen schnell wiederherstellen? Bekommen die Täter ihre Strafe? Diese Fragen sind alles andere als neu, sie stellen sich wieder und wieder, natürlich. Aber an einem Tag wie Montag rücken sie neben dem Schmerz der Freunde und Familien selbstverständlich ins Zentrum.

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Aus diesem Grund steht es nicht infrage, dass die Polizei sprichwörtlich alles versuchte, um die Verdächtigen aufzuspüren. Und so griff sie, als es ihr unverzichtbar erschien, zum Mittel der öffentlichen Fahndung, mit dem ganzen Namen des Gesuchten und einem Foto, das an Deutlichkeit keine Fragen übrig ließ. Nur eine Stunde später konnte sie erst den einen und dann den anderen Verdächtigen festnehmen. Das ist gut so; noch dazu, wenn Gefahr im Verzug ist. Nur eines sollte man bei all dem nicht vergessen: dass diese Art der Fahndung überaus heikel ist.

Verdächtige bleiben Verdächtige bis zu einer Verurteilung

Gemeint ist das Dilemma zwischen der bestmöglichen Verfolgung der Tatverdächtigen und einer öffentlichen Frühverurteilung, die für den Betroffenen irreparabel sein könnte. Vorausgehen muss also eine Abwägung, die sich der Konsequenzen bewusst ist, sollte der Verdächtige am Ende doch nicht der Täter sein. Oder nicht selbst geschossen haben. Oder wenn am Ende einfach ein letzter Zweifel bleibt. Was dann? Diese Abwägung ist unendlich schwer, für die Polizisten, die ihre Kollegen verloren haben; und für Staatsanwälte und Richter, die in kurzer Zeit entscheiden müssen.

Umso wichtiger ist es bei aller Erleichterung, vielleicht sogar Genugtuung, dass die Verdächtigen bis zur Verurteilung Verdächtige bleiben. Auch in den Medien. Und es ist wichtig, dass Politikerinnen und Politiker diese Ausnahmesituation nicht noch befeuern. Gemessen daran hätte man sich gewünscht, dass die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser nicht schon wenige Stunden nach der Tat von einer Art Hinrichtung gesprochen hätte. Das befeuerte die Fantasien und erhöhte die Furcht der Menschen. Bei der Fahndung aber half es keinen Schritt weiter.

Solche Verbrechen sind furchtbar - und der Umgang des Rechtsstaats damit oft furchtbar schwierig. Umso schöner und beruhigender wäre es, wenn es gelänge, gerade in so einem Fall alles zweifelsfrei aufzuklären.

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