Aktuelles Lexikon:Milchmädchenrechnung

Was die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich mit einer Fabel aus dem Jahr 1678 zu tun hat.

Von Detlef Esslinger

Hätte man auch nicht gedacht: wie kurz doch der Weg sein kann von Steffen Kampeter, dem Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), zu Jean de La Fontaine, dem Meister des internationalen Fabelwesens. Kampeter lehnt die Forderung von Gewerkschaften nach einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich ab, er sagt, das sei eine Milchmädchenrechnung. Und schon ist man im Jahr 1678, in der zehnten Fabel im siebten Buch der zweiten Fabelsammlung von de La Fontaine: "Das Milchweib und der Milchtopf". Eine Bauersfrau ist unterwegs zum Markt, wo sie die Milch verkaufen will. Sie malt sich aus, wie sie fürs Geld ein Schwein kauft, das sie mästen wird. Wie sie mit dem Erlös aus dem Schwein eine Kuh plus ein Kälbchen finanzieren kann und wohlhabend wird. So ein schöner Traum. Und dann fällt ihr der Topf auf den Boden, alle Milch ist dahin. Soll man gelegentlich ein Narr sein und sich naiv die Zukunft ausmalen? Oder ist man lieber so weise und lässt alles Wunschdenken sein, weil es ja doch nur zu Frust führt? Schon klar, wie sich der Arbeitgeberfunktionär Kampeter einschätzen dürfte, jedenfalls wenn es um die Viertagewoche geht. Aber bitte niemals übermütig werden. La Fontaine schreibt: "Jeder fällt - der Narr dem Weisen gleichgestellt."

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