Frankreich:Auf Wiedersehen, Édouard Philippe

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Wärhend Macron den Zorn auf sich zog, genoss Édouard Philippe Respekt. (Foto: dpa)

Als französischer Premier hat er seine Aufgaben unaufgeregt und loyal erledigt. Wenn er nun aus dem Amt scheidet, dann ist das kein Rückschlag, sondern die Vorbereitung auf die nächste Etappe: die Präsidentenwahl 2022.

Kommentar von Nadia Pantel

Glamourös ist das Amt des französischen Premierministers nicht. Der Präsident gibt die Linien vor, der Regierungschef setzt sie um. Édouard Philippe erfüllte diese Aufgabe zuverlässig, loyal, souverän. Eigentlich ein Traumpartner für einen Mann wie Emmanuel Macron, der den großen Auftritt liebt und für jede seiner Reden das perfekte Setting wählt, damit die Bilder stets zu den Worten passen. Philippe machte Macron die Rolle des Visionärs nie streitig. Doch genau dieses Unaufgeregte ließ Philippe irgendwann vom Bollwerk zum Konkurrenten des Präsidenten werden. Tempolimits auf den Landstraßen, Erhöhung des Rentenalters - die unbeliebtesten Maßnahmen der Präsidentschaft Macrons wurden regelmäßig von Philippe verkündet. Seine Popularität blieb davon unberührt. Im Gegenteil: Sie wuchs und wuchs. In den Umfragen sieht die Rollenaufteilung an der Spitze des Staates so aus: Macron zieht den Zorn auf sich, Philippe genießt Respekt.

Lange wurde spekuliert, was Philippes Erfolg für Macron bedeutet. Sieht sich der Präsident von seinem Premier in den Schatten gestellt? Oder profitiert er von der Stabilität seines Regierungschefs? Diese Fragen hat nun Philippe selbst obsolet werden lassen: Er trat am Freitag zurück. Er kehrt aus Paris zurück nach Le Havre und zieht dort wieder ins Rathaus ein. Ein Rückschritt ist das nicht. Eher die Vorbereitung der nächsten Etappe. Auf Emmanuel Macron kommen nun harte Monate zu. Der Einbruch der Wirtschaft hat gerade erst begonnen, im Parlament wandern seine Abgeordneten nach links und rechts ab, bei den Kommunalwahlen war Macrons Partei so erfolglos und unsichtbar, als wäre sie gar nicht angetreten. Philippe hingegen geht ohne Reue. Es gibt keinen Skandal, keinen Konflikt, der ihm nachgetragen werden könnte. Das rückt ihn für die kommende Präsidentenwahl 2022 ins Zentrum der Spekulationen. Seit seinem Eintritt in Macrons Regierung ist Philippe offiziell parteilos. Doch er verkörperte die vom Präsidenten geforderte Links-rechts-Gleichzeitigkeit, indem er einfach ein klar erkennbarer Konservativer zwischen Ex-Sozialdemokraten blieb.

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Auch Jean Castex, der als neuer Premierminister auf Philippe folgt, kommt aus dem konservativen Lager. Als Charismatiker fiel Castex bisher nicht auf, genau genommen fiel Castex noch nie irgendwie auf. Castex' Ernennung ist ein demonstratives Ärmelhochkrempeln Macrons. Es gibt viel zu tun, es ist nicht so wichtig, wer es macht, Hauptsache, es wird gemacht. Das ist auch ein Bruch mit der Showeffekt-Politik, die Macron in der Anfangszeit als Präsident verfolgte. Castex als Premierminister - das ist kein Coup, keine Überraschung, die Aufregung verursacht.

Man kann das als Symbol einer neuen Nüchternheit werten. Oder auch als Symbol dafür, dass es zunehmend schwierig wird für Macron, große Namen für sein Projekt zu gewinnen. In den Stunden, die zwischen Philippes Rücktritt und der Ernennung Castex' lagen, wurde die Verteidigungsministerin Florence Parly als mögliche neue Regierungschefin gehandelt. Erst einmal, und auch nur für elf Monate, war in Frankreich eine Frau in diese Amt. Macron, nach eigener Aussage Feminist, ist es nicht gelungen, in Fragen der Gleichberechtigung ein Zeichen des Aufbruchs zu setzen.

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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