Aktuelles Lexikon:Stolz

Von Italiens Wahlsiegerin Giorgia Meloni gern gebrauchter Ausdruck, in der Christenlehre eine der sieben Todsünden.

Von Johan Schloemann

"Gute Nacht, du Stolz und Pracht!" - so heißt es in einem alten Kirchenlied. "Dies ist eine Nacht des Stolzes", rief hingegen jetzt in Italien die postfaschistische Wahlsiegerin Giorgia Meloni vor ihren jubelnden Anhängern. Im Wahlkampf hatte sie allenthalben versprochen, "die Freiheit und den Stolz Italiens wiederherzustellen". Das klingt trotzig, und in der Tat scheint der psychologische Trick beim Appellieren an den nationalen Stolz zu sein, dass wie bei einem unsicheren kleinen Kind das Selbstwertgefühl gehoben werden soll, das angeblich darniedergelegen hat. In der traditionellen christlichen Tugendlehre war der Stolz, auch Hochmut genannt, eine der sieben Todsünden; Kirchenvater Augustinus definierte ihn als "Verlangen nach falscher Erhabenheit". Deswegen ist die Personifikation des Stolzes in den berühmten spätmittelalterlichen Fresken im Rathaus von Siena auch auf der Seite der schlechten, tyrannischen Regierung zu sehen. Heute unterscheiden manche Psychologen einen menschenfreundlichen, sozial hilfreichen Stolz, der motivierend wirken kann, von einem destruktiven, narzisstischen Stolz. Als gesunde Freude über erbrachte Leistungen kann er zum Guten anspornen, als exkludierende Ideologie jedoch, wie die Geschichte des Faschismus zeigt, ins Unheil führen.

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