ZDF: Schleichwerbung?:Faule Triebe im Fernsehgarten

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Neuerdings darf die Geschäftsführerin einer bekannten Gartenmarkt-Kette als Expertin im Fernsehgarten auftreten. Alles ganz legal bei Andrea Kiewel, sagt das ZDF.

Antje Hildebrandt

Der "Fernsehgarten" im ZDF, das ist eine sonntägliche Oase für Kleingärtner und Freunde der Schlagermusik. Moderiert wird die Sendung von einer Frau, die beim Publikum gut ankommt, die leider nur vor gar nicht allzu langer Zeit der Schleichwerbung für die Weight Watchers überführt wurde: Andrea Kiewel.

Ein Jahr lang musste die Frau mit dem Obst-Spitznamen "Kiwi" pausieren, dann gab das Zweite Deutsche Fernsehen seiner Fernsehgärtnerin eine zweite Chance. Inzwischen izt ist der Fernsehgarten unter "Kiwis" pflegender Hand wieder aufgeblüht - oder liegt es vielleicht auch an der Unterstützung von Pflanzen Kölle?

Das fragen sich aufmerksame Zuschauer, seit ZDF-Moderatorin Kiewel in der Ausgabe vom vergangenen Sonntag die Geschäftsführerin Angelika Kölle der mittelständischen Gartenhandelskette mit Filialen in Berlin-Brandenburg, München, Stuttgart, Heilbronn und Wiesbaden in ihrem "Grüne-Daumen-Kompetenz-Team" begrüßte.

Dass es sich bei der Frau im hellgrünen Anorak, der Firmenfarbe von Pflanze-Kölle, um die Chefin eben jener Gartencenter-Kette handelte, erfuhren die Zuschauer nicht. Kiewel stellte sie lediglich als Expertin vor: "Das ist nämlich Angelika Kölle."

Der Anorak der neuen Kollegin harmonierte farblich mit dem eigenen großgeblümten Kiwi-Kleid, und das musste als Ausweis der Kompetenz reichen. "So, wie wir angezogen sind, haben wir was Schwesterliches", flötete Kiewel: "Angelika Kiwi Kölle könnte man auch sagen." Und verkündete überschwänglich, diese Frau werde sie durch die ganze Saison begleiten.

Dabei kam die Geschäftsführerin des traditionsreichen Gartenbaumarktes offenbar nicht nur, um die Hobbygärtner im Publikum mit Tipps zu versorgen - sondern auch in eigener Mission.

Im ZDF-Fernsehgarten durfte sie für Hochbeete werben, die zwei - bis dreimal so viel Ertrag wie gewöhnlich bringen. Die dafür erforderlichen Stecksysteme hatte sie gleich mitgebracht - und auch die Gartenzwerge als dekoratives I-Tüpfelchen nicht vergessen. "Auf guter Erde gedeiht eben guter Geschmack", wusste Kiewel.

Sie vergaß auch nicht, auf das Gewinnspiel auf der Internet-Homepage des ZDF-Fernsehgartens hinzuweisen. Spätestens an dieser Stelle erschloss sich dem Zuschauer die Verbindung zwischen Angelika Kölle und "Andrea Kiwi-Kölle", wie sich die Moderaton in der Sendung scherzhaft selber nannte.

Es gilt dort, im öffentlich-rechtlichen Online-Treibhaus, eine Frage aus der Sendung vom 16. Mai beantworten. Unter den Absendern der richtigen Antwort verlost das ZDF zwanzig Einkaufsgutscheine im Wert von 50 Euro für...- richtig, für Pflanzen-Kölle.

Auf Anfrage von sueddeutsche.de hat die ZDF-Pressestelle inzwischen bestätigt, dass der Sender einen Kooperationsvertrag mit dem mittelständischen Unternehmen (Jahresumsatz: 118 Millionen Euro) abgeschlossen hat. Von Schleichwerbung will Pressesprecher Rainer Stumpf jedoch nichts wissen. Der Name der Firma wurde ja nicht genannt und Expertin Kölle nicht in ihrer Geschäftsführerin-Funktion genannt. Aber eine und eins kann ein Zuschauer leicht zusammenzählen.

Insgesamt soll der geldwerte Vorteil der ZDF-Kooperation mit dem Garten-Ceter bei 250.000 Euro liegen.

TV-Mann Stumpf spricht von "Produktionshilfen", die die Firma dem Sender in Form von "Sachbeistellungen" geliefert habe, "für Pflanzen und Gartenzubehör bzw. - ausstattung sowohl für die Garten-Sequenzen einzelner Sendungen als auch für die Ausschmückung von Bühne und Gelände des Fernsehgartens" , wie es in einer schriftlichen Stellungnahme des Senders heißt.

Einen Verstoß gegen das Gesetz kann der ZDF-Mann in diesem Vertrag nicht erkennen. Im Abspann habe man die Produktionshilfe von Pflanzen-Kölle namentlich gekennzeichnet, sagt er. Ganz so, wie es der Gesetzgeber im 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorschreibe.

Tatsächlich? Schaut man sich die aus diesem Vertrag abgeleiteten ZDF-Richtlinien für Werbung, Sponsoring, Gewinnspielen und Produktionshilfen an, stellt man fest, dass der Sender mindestens in einem Punkt dagegen verstoßen hat.

Danach sind so genannte Produktionshilfen im Gegensatz zum Product Placement im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zwar grundsätzlich zulässig. Allerdings nur, solange die redaktionelle Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt werde. Dies sei aber nicht der Fall, wenn "das Konzept einer Sendung darauf zugeschnitten ist, dass ein Hersteller oder Dienstleister seine Produkte präsentieren kann, ohne dass dies (...) mit inhaltlichen Überlegungen erklärbar erscheint."

Und was ist, wenn die Vertragspartnerin persönlich in der Sendung auftritt - sozusagen als lebendes Aushängeschild ihres Unternehmens?

Dieser Fall ist in den Richtlinien erst gar nicht vorgesehen. Beim ZDF heiß es dazu, Frau Kölle trete als "Expertin" auf. "Weder einzelne Produkte noch Marken, geschweige denn die Firma Pflanzen Kölle wurden genannt oder erwähnt."

Wohl wahr. Aber reicht dem Zuschauer nicht schon der Name Kölle in Verbindung mit der Firmenfarbe, um einen Zusammenhang mit dem Namen des Werbepartners zu rekonstruieren? Und ist es besonders taktvoll, die Grenzen des Gesetzes ausgerechnet in einer Sendung auszuloten, deren Moderatorin ohnehin schon kritisch beäugt wird?

Es ist eine Frage, die "Andrea Kiwi-Kölle" nicht beschäftigen muss. Ein starkes "Grüne-Daumen-Komepetenz-Team" stärkt ihr den Rücken.

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