Österreich:Langer Abschied

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Älteste Tageszeitung der Welt: die "Wiener Zeitung". (Foto: Tobias Steinmaurer/Imago)

Die traditionsreiche "Wiener Zeitung" bangt wegen einer EU-Richtlinie um ihr Überleben.

Von Cathrin Kahlweit

Die vermutlich älteste Zeitung der Welt, seit immerhin 1703 auf dem Markt, ist eine historisch gewachsene Ausnahmeerscheinung: Die Wiener Zeitung gehört zu hundert Prozent der Republik und veröffentlicht, neben dem üblichen Programm einer seriösen, liberalen Tageszeitung, als Amtsblatt auch Firmennachrichten, Stellenausschreibungen und Bekanntmachungen. Aus diesen sogenannten Pflichteinschaltungen generiert das angesehene Blatt drei Viertel seines Budgets. Aber auch wenn zuletzt massive Anstrengungen unternommen wurden, um die Zeitung mithilfe einer Tochtergesellschaft und neuen Digitalprojekten finanziell auf breitere Beine zu stellen, würde mit dem Wegfall der Amtsblattfunktion doch der Löwenanteil der Einnahmen wegbrechen.

Genau das, seit Jahren als Bedrohungsszenario diskutiert, könnte nun aber Realität werden: Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass Firmenbücher und EU-Register künftig online und zentral abrufbar sein müssen; zudem hat sich die türkis-grüne Regierungskoalition in Wien die Abschaffung der Pflichtinserate im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben. Die kompromisslose Umsetzung von EU-Vorgabe plus politischem Versprechen dürfte daher das Aus für die Wiener Zeitung und ihre mehr als fünfzig Redakteure bedeuten - wenn sich nicht noch die Überzeugung durchsetzt, dass der österreichische Zeitungsmarkt ohne die Traditionsmarke ärmer wäre.

Die Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger, Sprecherin ihrer Partei für Kultur, Wissenschaft und Medien, die derzeit mit dem Regierungspartner über das Schicksal des kleinen Traditionsblattes verhandelt, sagt, noch sei nichts entschieden. Aber die Republik als Eigentümerin könne wohl schwerlich etwa sieben Millionen Euro als Ersatz für die Pflichtmitteilungen "rüberschieben", ein Blatt müsse sich eben auch "am Markt bewähren". Eine "Transformation" sei nötig - was wohl auf eine reine Digitalausgabe hinauslaufen dürfte. Blimlinger berichtet, sie bekäme viele Anrufe mit der Bitte, dass die Wiener Zeitung nicht sterben dürfe. "Dann sage ich: Sehr schön, aber liest du sie? Die Antwort ist leider oft ein Nein."

Chefredakteur Walter Hämmerle sieht die Zukunft seines Blattes naturgemäß um einiges leidenschaftlicher. Nicht nur weist er darauf hin, dass die EU-Richtline Pflichteinschaltungen in Print ja nicht untersage, aber auch er weiß, dass die Koalition anderes vorhat. "Das ist eine Frage des politischen Willens", sagt er. Auch bei der Forderung nach dem eigenständigen Überleben am Markt ist er kämpferischer: Würden nicht mit Medienförderung und üppigen Inseraten andere österreichische Medien im Überfluss alimentiert? Hämmerle kann sich viele "Hybridmodelle" für sein Blatt vorstellen, aber bei einem kompletten Aus für die Printausgabe sieht auch er schwarz. Dabei könne doch eine "Zeitung der Republik", die nicht Zeitung einer Regierung oder einer Partei sei, ein gutes Gegengewicht zur emotionalisierten, teils populistischen Berichterstattung sein. Die Marke Wiener Zeitung, hofft Hämmerle, werde wohl erhalten bleiben. Für den Inhalt will er weiter kämpfen.

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