USA:Washingtoner Wahrheiten

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Mächtig lustig: Daily Show-Komiker Hasan Minhaj moderierte, Journalist Bob Woodward (Mitte) hörte zu. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Die Hauptstadtjournalisten dinieren - ohne Präsident Trump. "Wir sind hier, um die Presse zu feiern, nicht die Präsidentschaft", sagt der Vorsitzende der Korrespondenten im Weißen Haus.

Von Hubert Wetzel

Vermutlich war es ganz gut, dass Donald Trump abgesagt hatte. Wie hätte es auch ausgesehen, wenn die Schafe dem großen bösen Wolf den Tisch gedeckt, das Besteck hingelegt und das Glas gefüllt hätten, bevor man dann gemeinsam getafelt hätte? Noch dazu Lammbraten. Denn so fühlen sich die Medien in Washington ja derzeit - wie arme Schäfchen, denen ein wütender, twitternder Jäger hinterherhetzt. Der muss ja dann nicht auch noch zum Abendessen kommen, selbst wenn es das jährliche Galabankett der Branche ist, das White House Correspondents' Dinner, zu dem seit 1981 bisher jeder amerikanische Präsident gekommen ist.

Und wie hätte es - andersherum - für Trump ausgesehen, wenn er, der kernige Arbeiterpräsident, Rächer der Ignorierten und Vergessenen, Kämpfer gegen das abgehobene Establishment, sich in Frack und Fliege gekleidet und mit all den reichen, linken Elitejournalisten gescherzt und geschmaust hätte? Auch nicht so gut.

Deshalb blieben der Präsident und die Medien am Samstag unter sich. Die Journalisten feierten im Ballsaal des Washington Hilton. Trump stieg in eine Zeitmaschine, reiste in jene glorreiche Zeit zurück, in der er noch kandidieren durfte und nicht regieren musste, und hielt in Harrisburg, Pennsylvania, vor ein paar Tausend Anhängern eine donnernde Rede, in der er ausführlich über die Medien herzog, die einfach nicht kapieren (und erst recht nicht berichten) wollten, was für ein großartiger, erfolgreicher Präsident er doch sei.

Die Gescholtenen freilich kamen recht gut ohne den Präsidenten aus. Das Fest, das von dem Daily-Show-Komiker Hasan Minhaj moderiert wurde, war bescheidener dieses Jahr - weniger Glanz, weniger Cocktailparties, keine Hollywood-Stars und niemand aus dem Kardashian-Clan. Dafür war es eine Gelegenheit für die amerikanische Hauptstadtpresse, sich ihrer selbst, ihrer Werte und ihres wahren Daseinszwecks zu vergewissern.

"Wir sind hier, um die Presse zu feiern, nicht die Präsidentschaft"

Und der besteht eben nicht darin, möglichst dicke mit den Leuten im Weißen Haus zu sein. "Wir sind hier, um die Presse zu feiern, nicht die Präsidentschaft", sagte Reuters-Korrespondent Jeff Mason, Vorsitzender der White House Correspondents' Association und somit quasi der Gastgeber. So, wie in den vergangenen Jahren Präsident Barack Obama beim WHCD bejubelt wurde, war dieser feine Unterschied für viele Anwesende vielleicht eine Neuigkeit. Statt den Mächtigen zu huldigen, sei es die Aufgabe der Medien, durch harte Arbeit "die bestmögliche Version der Wahrheit" herauszufinden und Lügen zu entlarven, mahnte auch Carl Bernstein, Journalistenlegende und einstiger Watergate-Skandal-Enthüller, seine Kollegen. Viel zu tun also in der Ära Trump.

Und so war der Abend am Ende vor allem für eines gut: um Fronten zu klären. "CNN und MSNBC sind fake news", motzte Trump in Harrisburg. "Herr Präsident, die Medien sind keine fake news", sagte Bernstein in Washington. Achtung, Nachricht: Schaf beißt Wolf.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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