Parallel dazu kümmern sich Teams um frühzeitige Informationen zu geplanten Verordnungen, Richtlinien und Dossiers. Was läuft bei Gasverträgen, Medikamentenzulassungen, genmodifizierten Lebensmitteln? Die Teams machen daraus Themendienste, die Politico für fünfstellige Jahresbeträge an Lobbyisten und andere verkauft. Es ist das Konzept, mit dem das Portal schon in Washington erfolgreich ist. Und Brüssel ist nach Washington der weltweit zweitgrößte Lobby-Platz, mit mehr als 8000 Lobby-Organisationen.
Der Journalist John Harris war es, der nach 21 Jahren bei der Washington Post absprang und Politico gründete. Aus seiner Beobachtung, dass Chefs notfalls viel Geld ausgeben, um zu wissen, was die Konkurrenz treibt, entwickelte er sein Geschäftsmodell: Wissen, was die anderen machen, und diese Informationen gut erzählt und früher als andere verkaufen.
In Washington funktioniert das Magazin nach dem Zwiebel-Prinzip
Die zahlende Kundschaft, erzählt Harris, gleiche in der Struktur einer Zwiebel. Zuerst müsse er die hundert Top-Entscheider überzeugen. Die nächsten eintausend Leser seien Leute, die lesen müssten, was ihre Chefs lesen. Die nächste Schale, also die nächsten zehntausend, wollten wissen, was die wichtigen Leute machen. In Washington funktioniert das Zwiebelprinzip. Harris beschäftigt 300 Mitarbeiter.
Der Europa-Ableger hat 36 Reporter, die 12 verschiedene Muttersprachen sprechen. Die meisten arbeiten in Brüssel, kleine Teams und Korrespondenten sind über Hauptstädte verteilt. Deutsche, spanische und britische Zeitungen beschäftigen je zwei bis fünf EU-Korrespondenten, andere Nationen noch weniger.
Für Donnerstagabend hat Politico zur Sause geladen. Im glamourösen Ambiente eines Automuseums werden Präsidenten, Generalsekretäre, Fraktionschefs und Botschafter Champagner schlürfen und Visitenkarten tauschen. Sie werden in der ersten Ausgabe der ersten europäischen Lokalzeitung blättern - und vielleicht überrascht sein, wenn sie da schon wieder auf ein Interview mit Jean-Claude Juncker stoßen.