Anfang September feierte die Zeitschrift Neon ihr zehnjähriges Bestehen. Die Chefredakteure Patrick Bauer und Vera Schroeder erklärten in Interviews den Erfolg des Hefts und die neue Optik, die man sich zum Geburtstag geschenkt hatte. Es war aber auch der Tag, an dem Gruner + Jahr-Vorstand Stephan Schäfer aus Hamburg anreiste. Nicht um Geburtstag zu feiern, sondern um den Standort München weitgehend zu begraben. Fast alle Münchner Redaktionen, also Neon, die Familienmagazine Nido und Eltern, sowie die Wissens P.M. und Wunderwelt Wissen, werden im Frühjahr nach Hamburg umziehen. Wer nicht will, muss gehen, daran ließ Schäfer keinen Zweifel.
Seit diesem Dienstag ist klar, wer nicht mitwill: Patrick Bauer und Vera Schroeder.
Die gemeinsamen Chefs von Nido und Neon geben ihre Stellen lieber auf, als mit ihren Magazinen nach Hamburg zu ziehen. Das teilte Herausgeber Andreas Petzold der Redaktion am Dienstag mit. Bauer und Schroeder begründeten in der Konferenz ihren Schritt nicht, das machte dafür Gruner + Jahr. Sie wollten "neue berufliche Wege" gehen, teilte der Verlag mit. Oliver Stolle, bislang Berater der beiden Chefredakteure und seit zehn Jahren bei Neon, übernimmt ihren Job zum Jahresbeginn 2014.
5000 Euro Gardinenpauschale
Der Betriebsrat verhandelt für alle Titel noch mit der Geschäftsführung über die Umzugsmodalitäten und den Sozialplan. Wer bleibt, heißt es aus dem Betriebsrat, dem wird nach jetzigem Stand umfangreiche Hilfe angeboten. Freiflüge, um Hamburg kennenzulernen. 5000 Euro Umzugshilfe, 5000 Euro Maklerbeteiligung, 5000 Euro Gardinenpauschale, Einrichtungsgeld also. Wer geht, erhielte pro Beschäftigungsjahr ein halbes Monatsgehalt plus 0,2 Gehälter, wenn man sich außergerichtlich einigt. Abfindungen, die angeblich unter dem liegen, was der Konzern sonst zahlt.
"Der Umzug ist eine bequeme Art, Personal abzubauen", heißt es aus dem Betriebsrat. Dass nicht alle mitgehen werden, vor allem jene mit Familie, dürfte dem Verlag von vornherein klar gewesen sein. G + J nimmt zu den Verhandlungen keine Stellung. Die Gespräche mit den Mitarbeitern liefen in "guter und konstruktiver Atmosphäre", man habe keinen Zeitdruck.
"Es ist nicht einsichtig, warum Definitionen wichtiger sind als gewachsene Zusammenhänge", sagt Betriebsratschef Achim Diekmann. Was so nebulös klingt, ist auch das, was viele nicht nur bei Neon und Nido seit einigen Wochen umtreibt. Das, was Verlagschefin Julia Jäkel nur ein paar Tage nach dem Managerbesuch im September den Kollegen bei einer Veranstaltung in Hamburg erklärte. Gruner + Jahr soll sich in ein "Inhaltehaus" verwandeln. Was früher Verlagsgruppen waren, sind jetzt Communities of Interest - in acht solche nach Leserinteressen geformte Bereiche ist der Verlag nun aufgeteilt.
Zur Gruppe "News" etwa gehören Stern und Neon, zu "Food" mit Chefkoch.de und Beef. Und damit zusammenwächst, was zusammengehört, soll Neon jetzt mit seiner Interessensgruppe zusammenziehen. Der Verlag erklärt, der Umzug sei keine ökonomische, sondern eine strategische Entscheidung. Die enge Verzahnung in Hamburg soll allen Redaktionen dienen.
Andreas Petzold sprach am Dienstag in München von der "einzigartigen und komplexen DNA" von Neon und Nido. Wollte man diese beschreiben, würde man bei den jungen Magazinen wohl von Widerspruchsgeist und Unabhängigkeit sprechen. Verortungen, um die manche in den Münchner Redaktionen nun fürchten, da sie stärker in die Hamburger Strukturen eingebunden sein werden. Sie fürchten auch, dass viel beschworene Synergien am Ende einfach bedeuten könnten, dass Jobs überflüssig werden. Auf die Frage, ob alle Stellen erhalten bleiben, äußert sich Gruner + Jahr nicht.
Große Erleichterung
Es ist andererseits noch nicht sicher, wer überhaupt nach Hamburg geht und wer nicht. "Es ist ein Auf und Ab, kaum einer hat sich definitiv entschieden", sagt eine Redakteurin. Das hänge auch damit zusammen, dass bis Dienstag unklar war, unter welchem Chefredakteur die Mannschaft in Hamburg arbeiten wird. Die Personalie Oliver Stolle habe für "große Erleichterung" gesorgt.
Dass Neon und Nido gleich beide Chefredakteure verlieren, ist wohl nicht nur eine Frage der räumlichen Umorientierung. Manche in ihrer Redaktion glauben, es gehe ihnen auch um die Philosophie des Verlages, um die Frage, ob aufwendiger Journalismus dem Verlag noch viel Geld wert ist. Seit Julia Jäkel zudem im vergangenen Jahr ihren Vertrauten Stephan Schäfer erst zum Chefredakteur der Brigitte machte und dann zum Geschäftsführer, seit also zuweilen Redaktionelles und Unternehmerisches aus einer Hand kommt, sehen manche den Kurs kritisch. Gruner + Jahr betont aber, die Unabhängigkeit der Redaktionen zu wahren und immer ein Haus der journalistischen Inhalte zu bleiben.