TV-Tipp: Männer lügen nicht:Freundinnen bis zum Zungenkuss

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Gigolos am Kamin, Gentlemen und aschblonde Mauerblümchen - eine knuddelsüße Kuscheldecken-Komödie in der ARD.

Barbara Gärtner

Einer bockt in Beziehungen immer. Für die Herzharmonie ist das frühzeitige Ableben also manchmal gar nicht übel. Am Grab erwärmt sich der Hinterbliebene dann an der Idee "des Richtigen, des Einen unter Hunderttausend". So auch die nicht mehr ganz junge Bastelladen-Besitzerin Silke (Anna Stieblich). Sechs Wochen liebte sie den feschen Hermann, dann starb Hermann. Mitgenommen hat er einen fetten Scheck und ihre Lebenslust.

Winterurlaub und Wellness - "Männer lügen nicht" in der ARD. (Foto: Foto: ARD Degeto)

Das ist zwei Jahre her, doch immer noch dekoriert sie weltbeleidigt Weihnachtsbäume neben seinem Grabstein und quetscht misslaunig die Unterlippe raus. Freundin Barbara (Maruschka Detmers in bester Form), auch nicht mehr ganz jung, aber hochleidenschaftlich hingeföhnt, mag dabei nicht mehr zugucken; sie will ihre lukrative Scheidung mit Wellnessanwendungen und Skiferien feiern und packt Silke zur Spaßtherapie mit ins Auto.

Extrem eifersüchtig

Kaum im Wintermärchen angekommen, sieht die Trauernde einen Mann vorbeirauschen, der aussieht wie, genau, "Mein Hermann". Fortan ist alles nur: Hermann! Hermann? Hermann!

Sirene Barbara stellt dem Galan auf der Piste eine Falle ("Ich habe ein Haus, nein, eher eine Villa, drei Autos und 24 Millionen") und stolpert erst über ein paar Skifahrer und dann über ihr Herz. Silke, extrem eifersüchtig, verfolgt die Après-Ski-Tändelei mit dem Feldstecher, dabei wird sie vom trotteligen Physikprofessor Walter unterstützt, der Frauen mit Galileo-Geschichten ins Bett zu quatschen sucht.

Damit auch kurz wegschlummernde oder müllentsorgende Zuschauer die Katharsis des kaltherzigen Frauenverschleißers mitbekommen, treffen sich am Knisterkamin zwei Gigolo-Generationen und deklamieren das Regelwerk des Herzraubs ("Regel Nummer acht: Triffst du eine ehemalige Klientin, wechsle die Straßenseite und reise sofort ab!"), nebenbei schmuggelt sich auch noch eine arme Charles-Dickens-Waise ins Hotelzimmer des vermeintlichen Hermann (Markus Knüfken) und beharrt trotzig auf seiner Vaterschaft. Doch fies wie der ist, tituliert er das Heim-Mädchen (Josefine Vilsmaier) nur als "Betriebsunfall".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die Menschheit hier aufteilt.

Schon klar, das Fernsehen ist ein Vereinfachungsmedium. In der Degeto-Welt, zu der die Schmonzette Männer lügen nicht (Regie: Bettina Woernle) gehört, ist alles noch ein wenig einfacher, als es selbst für überdrehte Komödien gut ist. Die Menschheit teilt sich auf in: gutherzig-grobmotorisch und sportlich-sexy, selbst die kurz auftretenden Söhne von Barbara sind entweder knuddelsüß und ungeschickt oder eben stecherscharf.

Naivchen

Warum aber Produktionen, die sich dezidiert an ein weibliches Kuscheldecken-Fernsehabend-Publikum richten, so oft derart pausbackig-dumpfe Frauenbilder versenden, das soll mal einer erklären. Freundinnen sind Barbara und Silke immer nur, bis sich der nächste Zungenkuss anbahnt, danach beschimpfen sie sich wechselweise als Naivchen oder, nun ja, als "eine, die alles mitnimmt". Und wenn der Gentleman das aschblonde Mauerblümchen sitzenlässt, dann sausen schnell die Susanne-Klatten-Assoziationen durchs Zuschauerhirn: die arme, traurige Milliardärin, der gutaussehende Abzocker-Schweizer, die Wellnessklinik und all die Erpressungsmillionen im Koffer.

Dass sich die Geschichte von der reichen Dame, die für Gefühlserwärmung und Zuneigung großzügig zahlt, auch mal anders erzählen ließe, als das damals die Schnellschreib-Psychologen in den seriösen Medien über Susanne Klatten fabulierten und wohl damit die Drehbuchautoren Philipp Weinges und Günter Knarr inspirierten, sieht man - wie so oft - in amerikanischen Fernsehserien.

Ganz gleich ob Lipstick Jungle oder Sex and the City: Die Frauen, die zahlen, sind stolz, tapfer, mächtig. Und keine betrüblich verkümmerten Degeto-Vergissmeinnichte. Im Liebeskapitalismus hat die Macht, wer zahlt, das kann man unschön finden, vor Müffelsocken aber schützt es gerechterweise nicht. Männer lügen nicht, ARD, 20.15 Uhr.

© SZ vom 11.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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