TV-Rezension:Im Osten was Neues

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Laienschauspieler Meinhard Neumann als sanfter und schweigsamer Bauarbeiter Meinhard. (Foto: Bernhard Keller/ZDF)

Berliner Bauarbeiter auf Montage im ländlichen Bulgarien: Mit "Western" ist der Regisseurin Valeska Grisebach ein so zarter wie lakonischer Film über Fremdheit, Verständigung und die raue Natur gelungen.

Von Harald Hordych

Eine widerborstige wilde Landschaft, eine ordentliche Sommerhitze, das nächtliche Zirpen der Grillen und zwei Gruppen von Menschen, die einander fremd sind und sich plötzlich, und ohne aufeinander vorbereitet zu sein, kennenlernen und irgendwie miteinander klarkommen müssen: mehr klassischer Western geht eigentlich nicht. Und von daher ist es nicht nur eine ironische Brechung, wenn der Film von Valeska Grisebach "Western" heißt. Es ist auch - und das ist die schönste Überraschung dieses Films - ein Versprechen, das auf unaufdringliche, kluge und tatsächlich spannende Weise eingelöst wird.

Nur dass dieser wilde Westen eben im Südosten Europas liegt, im fernen, fremden Bulgarien.

Eine Gruppe von Bauarbeitern und Technikern aus Berlin soll ein Wasserkraftwerk an einem Fluss mitten im Nirgendwo dichter menschenleer erscheinender Wälder errichten. Der Job ist nichts für Schöngeister. Die Männer müssen unter widrigen Umständen zupacken können und auch sonst nicht zimperlich sein, was die Unterbringung und die Freizeitgestaltung angeht. Der Ton ist rau und eher auf Übermittlung des Wesentlichen ausgerichtet.

Dass er in diesem Film immer stimmt, hängt sicherlich mit den Laienschauspielern zusammen, die sagen, was Sache ist, und ihren wenigen Worten keine langen vielsagenden Blicke hinterherschicken. Der lakonische Stil, die nicht gerade literarischen Kommentare der berlinernden Kerle, all das bleibt aber nicht Konzept, sondern wird mit einer sich zunächst spröde ausnehmenden Geschichte bald mit Leben gefüllt, also Streit, Misstrauen, Aggression, Begehren und vor allem: der Sehnsucht nach Verständigung.

Ein anrührender Film, der wegen seines rauen Tons nie kitschig ist

Western ist auch eine Geschichte über Sprachlosigkeit und den Versuch, eine gemeinsame Sprache zu finden, wenn Deutsche und Bulgaren nicht die Sprache des anderen beherrschen und Englisch mangels ausreichender Schuldbildung ausfällt. Ausgerechnet der schweigsame Meinhart, der neu in der Montagegruppe ist, wird am wohlwollendsten im Dorf aufgenommen, als ihm seine Kollegen einen Streich spielen, ihn nachts zurücklassen und er von den "Dorfis", wie die Männer sagen, aufgelesen wird. Seine freundliche Ausstrahlung nimmt sie für ihn ein. Fortan ist Western ein in doppelter Hinsicht liebevoller Film über das Bemühen, mit Fremden, koste es, was es wolle, Kontakt aufzunehmen, und zwar von beiden Seiten: "Wir werden uns schon irgendwie verstehen" ist ein Schlüsselsatz dieses Films. Ein einflussreicher Mann im Dorf sagt ihn zu Meinhart, nachdem sie wieder mal versucht haben, sich etwas mitzuteilen, für das oft nur ein einziges internationales Wort reichen muss: Material, Problem, Bodyguard. Western erzählt anrührend von der größten Weltsprache Pantomime, vom Radebrechen, Abklatschen, Schulterklopfen und hochgehaltenen Daumen. Er erzählt von Gesten und Blicken, die Grenzen überwinden. Und er erzählt, weil der Ton dieser Menschen, so ungekünstelt, schroff, manchmal grob ist,nie kitschig davon, sondern knapp und tough.

Und weil es ja auch noch eine schöne Frau gibt, viel zu wenig Wasser, um Beton zu mischen, mafiöse Gauner, die ein Geschäft wittern, und zwei gegensätzlich auftretende deutsche Männer, die sich zu dieser Frau hingezogen fühlen, ist Western bei aller schlichten ruhigen Erzählweise ein Film, der seinem Genre alle Ehre macht.

Western, ZDF, Dienstag, 0.20 Uhr

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