TV-Kritik: "Das Quiz der Deutschen":Deutschland, einig Schlaubergerland

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Gesamtdeutsche Humorlosigkeit: Frank Plasberg lädt zum Ratewettstreit zwischen Ost und West, der zäh wie eine Kaffeefahrt ist. Ulrich Wickert rettet die Ehre der Westtruppe - und eine klatschnasse Kati Witt nimmt sich den Moderator zur Brust.

R. Sommer

Den ARD-Programmverantwortlichen kann man in angespannten Zeiten, in denen Harald Schmidt mit seiner angekündigten Fahnenflucht für Unruhe sorgt und Messias Jauch schier endlos auf sich warten lässt, zu dieser Personalentscheidung nur gratulieren. Wenn man wirklich eine Unterhaltungssendung staatstragend bierenst zum "Quiz der Deutschen" ausruft, dann kann es nach hartem, aber fairem internen Abwägen eigentlich nur einen Spielführer geben: Frank Plasberg.

Es kann nur einen Spielführer geben: Frank Plasberg. (Foto: dpa)

20 Jahre nach der Wiedervereinigung müsste in allen Gremien traute Einigkeit herrschen, dass Geschmackskonsens möglich ist und auch in der ARD die Republik endlich zu sich selbst gefunden hat - zur weitgehend harmlosen, aber eben doch ernüchternd gesamtdeutschen Humorlosigkeit. Wenn man den Bundesbürgern im spöttischen Spiegel des Auslands gerne mal notorische Besserwisserei, Hölzernheit und die Eleganz von Kaltblütern, positiv gedreht Beharrlichkeit (auch in ausweglosen Situationen) und den vor allem in Rumpelfußballerkreisen gefürchteten Turniergeist unterstellt, dann hätte tatsächlich niemand anderes als der Nebenerwerbs-Entertainer Plasberg durchs Wiedervereinigungsquiz führen dürfen.

Und der Abend, in dem Kati Witt, Tagesschau-Sprecher Jens Riewa und Gentleman Henry Maske als "Team Ost" gegen Spieleshow-Adabei Ingo Naujoks, Großbäckergattin Gülcan Kamps und Ex- Tagesthemen-Weltmann Ulrich Wickert antreten durften, gestaltet sich folgerichtig so kurzweilig wie geplant.

Wie auf seriösen Kaffeefahrten, bei denen leere Versprechungen justiziabel wären, übermittelte Frank Plasberg gleich zu Beginn die Tageslosung in die deutschen Wohnzimmer. "Sie werden Spaß haben heute Abend, das kann ich Ihnen versprechen", lautete die Devise - und sie wurde befolgt. Unaufgeregt schnurrte das Ratespiel, das sich nicht überaus originell, aber konsequent mit Fragen zu den 16 Bundesländern beschäftigte, dahin.

Für die Rührung gab es ausreichend Referenzen an die großen Momente - Rosinenbomber über Westberlin, Wunder von Lengede, "Willy Brandt ans Fenster" in Erfurt oder einen Filmausschnitt aus Der bewegte Mann. Aufgeheitert wurde das Treiben durch kesse Sprüche wie aus dem Entertainer-Lehrbuch.

Henry Maske, Veteran der Vorjahresshow, in der die Ost-Truppe anders als diesmal den Sieg holte, trug etwa einen grell-pinken Überzieher. Und das animiert Plasberg zu einem Scherz. "Bei mir hat's nur für eine Krawatte gereicht, bei ihm für einen Pullover", sagte er und spielt auf den eigenen, nicht minder farbintensiven Binder an. Wenn man sich selbst nicht allzu ernst nimmt, wirkt das locker. Hoffentlich hat das jeder gemerkt, dürfte sich Plasberg gedacht haben.

Der feuchtfröhliche Humor ist dem Deutschen der liebste

Gelegentlich schoss der Mann, der in seiner berühmten Polit-Talkshow selten um die präzisesten Formulierungen verlegen ist, allerdings auch über das Ziel hinaus. Zu Gülcan Kamps, die das Privatfernsehpublikum aus TV-Sternstunden wie Gülcans Traumhochzeit oder Gülcan und Collien ziehen aufs Land kennt, sagte er ganz unvermittelt: "Gülcan, das Tolle ist, man muss überhaupt nichts können." Allerdings unterschätzte Plasberg in der Hektik den medienkritischen Beiklang seiner Bemerkung. Eigentlich wollte er sie ja nur ermuntern, einer Schalmei Töne zu entlocken.

Aufgelockert werden sollte übrigens ein Saarland-Spiel, weil Erich Honecker (siehe "gesamtdeutsche Relevanz") bekanntlich einmal seine sehr westdeutsche Heimatstadt Wiebelskirchen besuchte und dort zum Ehrenmitglied einer kommunistischen Blechblas-Kapelle ernannt wurde. Gülcan wirkte ein wenig beleidigt. Überhaupt, die Spiele: Dem alten Vorurteil, dass der Deutschen liebster Humor der physische, wenn nicht sogar der feuchtfröhlich-schlüpfrige ist, wurde Plasbergs Teutonenfeier natürlich ebenfalls gerecht.

Zirzensischer Höhepunkt des Abends war ein Fass-anzapfen-Wettspiel, mit dem der Bajuwaren und 200 Jahren Oktoberfest gedacht wurde. Heraus kam ein wüstes Hauen und Stechen, das den Münchner O'zapf-Oberbürgermeister Christian Ude vermutlich noch Jahre in seinen schlimmsten Albträumen verfolgen wird. Wie nicht anders zu erwarten, geriet das Anschäumen gegen die Uhr zu einem Naturalienspektakel mit horizontal herausschießenden Gerstensaft-Fontänen - und einer klatschnassen Kati Witt. Dass die sich dann Plasberg zur Brust nehmen musste - Ehrensache!

Für einen Moment fehlt eigentlich nur noch, dass Stefan Raab samt Adlatus Elton für die große Fassferkelei die klebrig überströmte Bühne geentert hätte. Merke: Ein wenig Anarchie sei den Deutschen gegönnt, aber eben nur wenn Bier fließt.

Etwas schmallippiger reagierte Plasberg, der mit seiner eigenen TV-Produktionsfirma für die angemessen illustrative, aber eben auch nicht verschwenderische Ausstattung der Sendung selbst verantwortlich war, als die nach dem Bier-Intermezzo immer unaufmerksameren Ratefüchse sich allzu respektlos seiner Schuh-Installation näherten.

Hier sollten vor allem Gülcan, die sich zu einem mehr als 300-fachen Schuh-Fetischismus bekannte, und Kati Witt, die in der Eile vergaß, ihre Schlittschuhe mitzuzählen, aus dem Häuschen geraten. Die Aufgabe war es, Papp-Prominenten wie Angela Merkel, Dieter Thomas Heck (der mit dem Goldkettchen) oder einem Boris Becker, der für Kati Witt wie Thomas Gottschalk aussah, die richtige Fußbekleidung zuzuordnen. Da sich das Team West allzu forsch ins Spiel drängelte, musste Plasberg seiner Aufsichtspflicht nachkommen ("Ihr seid noch nicht dran ...").

Als seine Schutzbefohlenen auch noch frech die Spielregeln zu missachten drohten und die aufgekratzte Ex-Eisprinzessin heimlich in eine Schuhschachtel linste, war dann wirklich mal eine Rüge fällig. Trotzdem: Kaum ein unfreundliches Wort störte den munteren Rätselmarathon. Selbst die Pfui-Wörter "Wessi" (zuerst benutzt von Katarina Witt) und "Ossi" (später von Plasberg noch nachgereicht) durften fallen.

Knut sollte man kennen

Dramatik bot der Wettkampf allemal: Als kregeler Fernsehonkel rettete Ulrich Wickert zum Schluss die Ehre der lange hoffnungslos zurückliegenden West-Truppe, indem er im Schnellsprechspiel "100 Sekunden Deutschland" mehr Antworten als der ähnlich, aber eben nicht ganz so fixe Henry Maske fand. Nur der Name des berühmten knuffigen Eisbären war Wickert zwischenzeitlich entfallen. "So was wie Knut muss man wissen", grummelt er später. Plasberg fand, dass der Senior sich nicht grämen müsse und entschied sich für einen Witz. "Sigmar Gabriel hätte es gewusst."

Ebenfalls glücklich zog Jens Riewa aus der gefühligen Schlacht. Immerhin durfte er beim Autokino-Quiz auf der Rückbank eines Ost-Oldtimers endlich mit Katarina Witt kuscheln. Zuvor hatte er pennälerhaft aufgeregt gestanden, dass er die Vorzeigeathletin der DDR schon in frühen Jahren während einer Eislaufgala in Budapest angehimmelt hatte. Von seinem Stadionplatz auf den Rängen blieb die entrückte Schöne natürlich nur ein fernes Faszinosum.

Bei Plasberg ging für ihn endlich ein Traum in Erfüllung - was er den Moderator artig wissen ließ. "Danke, Herr Pflaume", scherzte Jens Riewa souverän, als er Kati drücken durfte. Plasberg, nicht weniger schlagfertig, griff die sentimentale Anspielung auf. "Auch in der ARD gilt: ,Nur die Liebe zählt'." Viel mehr galt es an diesem Abend auch nicht zu beweisen.

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