"Topmodel"-Juror Kristian Schuller::"Totales Fernsehen, totale Show!"

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"Germany's-Next-Topmodel"-Juror Schuller über Heckwellen der Sendung, das Entsetzen seiner Agentin und sein neuestes Werk.

Christina Maria Berr

sueddeutsche.de: Herr Schuller, Finale von Germany's Next Topmodel mit Ihnen in der Jury. Hand aufs Herz: Wie lange haben Sie schon gewusst, wer die Gewinnerin 2010 ist?

Hat für seinen Bildband "90 Days, One Dream" die GNT-Kandidatinnen mit der Kamera begleitet: Modefotograf Kristian Schuller. (Foto: Peggy Schuller/online.sdemedien)

Kristian Schuller: Das Lustige ist, wir wissen es vorher wirklich nicht.

sueddeutsche.de: Und was ist mit den veröffentlichten Insidertipps?

Schuller: Nach denen gewinnt ... wer?

sueddeutsche.de: Zum Beispiel Alisar.

Schuller: Na gut, die Chancen sind ja eins zu drei. Es gab schon sehr viel schlechtere Wettquoten mit anschließendem Gewinn. Ich würde jemanden mehr bewundern, der im Lotto gewinnt. Aber bei drei Mädchen - come on!

sueddeutsche.de: Immerhin hat Alisar auch das Casting des Hauptsponsors Sony-Ericsson gewonnen. Und das war in den vergangenen Jahren durchaus ein Indikator.

Schuller: Na ja, es gab ja auch andere große Castings, etwa das Müller-Milch-Casting mit Louisa. Vielleicht holen wir die Kleine wieder rein? Ich würde es ja sofort machen, wenn ich könnte. Es war mir völlig klar, dass sie von der Größe her nicht reinpasst. Aber ich hätte sie wahrscheinlich, wenn ich es ganz allein entschieden hätte, mit ins Finale genommen.

sueddeutsche.de: Sie haben lange gezögert, bevor Sie Heidi Klum für die Show zugesagt haben. Wie fällt die Bilanz aus?

Schuller: Natürlich kann man sagen: Totales Fernsehen, totale Show. Auf der anderen Seite: Why not? Aschenputtel hat sich ja auch nicht darüber beschwert, wie sie einen Prinzen bekommen hat. Warum soll der Weg der Mädchen nicht auch so gehen? Und ein großer Spaß war's auch.

sueddeutsche.de: Es gab immer wieder Vorwürfe, die Protagonisten der Show seien keine guten Vorbilder für die Mädchen.

Schuller: Für die Mädels war es die Chance ihres Lebens. Natürlich wird der Sendung vorgeworfen, es sei eine Showgeschichte und habe nichts mit dem realen Modelalltag zu tun. Aber ich sage: Na ja, Mütter, was wollt ihr lieber - dass eure Kinder durch eine Show gehen und merken, sie haben Talent und gehen ihren Weg? Oder wollt ihr, dass sie mit 15, 16 Jahren alleine durch die Welt juckeln und in irgendwelchen Modelbehausungen zu sechst auf einem Zimmer leben? Ist der reale Alltag so viel besser, nur weil er real ist?

90 Days, One Dream
:Schuller's Topmodels

Bombastische Szenen in der Natur: "Topmodel"-Fotograf Kristian Schuller hat die Mädchen fotografiert.

sueddeutsche.de: Karl Lagerfeld würde die Mädchen nicht buchen. Auch Heidi Klum ist nie für die großen Designer auf einem Laufsteg gelaufen.

Schuller: Karl Lagerfeld bucht von 1000 Models ohnehin nur zwei. Die 998, die es versucht haben, werden nicht von ihm gebucht.

sueddeutsche.de: Sie sind ein international anerkannter Modefotograf. Würden Sie - jenseits der Topmodel-Fernsehshow - die jungen Damen fotografieren?

Schuller: Ich habe sie ja schon fotografiert. Ich habe ein Buch mit den Fotografien der Mädels gemacht und meinen Namen daruntergesetzt. Da steht nirgendwo eine Entschuldigung, dass es sich um Mädchen aus der Topmodel-Show handelt. Ich stehe zu diesen Bildern.

sueddeutsche.de: Ihr Bildband 90 Days, One Dream hat also künstlerischen Anspruch.

Schuller: Nachdem ich zigmal nein gesagt hatte, war das Buch mit ein Grund, ja zum Fernsehjob sagen. Ich habe die Mädels, wann immer es ging, den laufenden Fernsehkameras entrissen und sie vor meine Fotoapparate gebracht. Ein sechsköpfiges Taskforce-Team in Los Angeles hat Tag und Nacht gearbeitet, um Fotos fürs Buch zu schießen.

sueddeutsche.de: Haben Sie auch Mädchen fotografiert, die von Heidi Klum kein Foto mehr bekamen - und gehen mussten?

Schuller: Ja, das kam auch vor. Und natürlich habe ich, wo ich nur konnte, die armen Fernsehmenschen genervt, um ein schönes Foto zu bekommen.

sueddeutsche.de: Es gab auch die Geschichte, die Mädchen seien auf Modenschauen mitgelaufen, die in Wahrheit keine Schauen waren.

Schuller: Die Modenschauen, auf denen die Mädchen gelaufen sind, waren alle real. Natürlich werden die Shootings inszeniert. Fernsehen kann nie die volle Realität sein. De facto waren Fotografen wie Michel Comte und Russell James am Set und haben die Mädchen fotografiert. Klar, das hat der Sender organisiert - auf der anderen Seite können etliche ein Leben lang davon träumen, von ihnen fotografiert zu werden. Mir geht es ja auch nicht darum, dass die Mädels morgen Weltstars werden, sondern dass sie überhaupt in Fahrt kommen.

sueddeutsche.de: Ihr Leben als Starfotograf ...

Schuller: ... ich bin Modefotograf und versuche, ein ordentlicher Fotograf zu sein. Ein Star bin ich nicht, nur weil ich ein, zwei bekannte Persönlichkeiten fotografiert habe. Peter Lindbergh oder Annie Leibovitz sind dagegen tatsächlich Stars. Das Wort "Star" wird viel zu inflationär benutzt.

sueddeutsche.de: Also gut: Ihre Arbeit als Modefotograf, hat die durch diese Fernsehshow gelitten?

Schuller: Meine Agentin, die vielleicht die beste in Deutschland ist, fand das alles furchtbar! Und dann meinte sie, dass ich ganz ordentlich rüberkomme. Manchen ist es wurscht, andere werden mich vielleicht nie wieder buchen. Aber muss ich mich als Fotograf verhalten wie ein wohlerzogener Junge, der immer alles picobello macht?

sueddeutsche.de: Topmodel war ein Jungenstreich?

Schuller: Es war der Spaß, etwas Neues auszuprobieren. Es sind spannende 90 Tage in meinem Leben, so what!

sueddeutsche.de: Heidi Klum hat ihren Vertrag um einige Jahre verlängert. Der Juror Q wurde hingegen gefeuert - was ist mit Ihnen?

Schuller: Davon weiß ich nichts. Im Moment sind wir in der Situation, dass das große Boot vorbeifährt und ich abwarte, wie wohl die Heckwelle aussieht. Grundtendenz ist, dass es eine einmalige Sache war. Ich habe nicht vor, ein Medienstar zu werden, der nach zwei Jahren seine Memoiren schreibt.

sueddeutsche.de: Heidi Klum hat noch nicht gefragt, ob Sie weitermachen?

Schuller: Warum sollte sie? Wir haben noch nicht mal das Finale. Das ist ein toller Job. Es ist nicht meine Aufgabe, als Tagelöhner groß über das Morgen nachzudenken.

sueddeutsche.de: Neben Heidi Klum zu brillieren ist nicht einfach.

Schuller: Da bin ich als Fotograf bestens trainiert. Ich bin gewohnt, berühmte Gesichter dieser Welt in Szene zu setzen und dabei ernst genommen zu werden. Es ist nicht unser Wesen, uns in diesem Moment in den Vordergrund zu spielen.

sueddeutsche.de: Könnten Sie sich eine eigene Show vorstellen?

Schuller: So ein Unsinn! Ich habe das Buch gemacht, um am Ende noch mal ein Ausrufezeichen zu setzen: Was bin ich? Und wo gehöre ich hin?

sueddeutsche.de: Wohin gehören Sie?

Schuller: Hinter meine Fotokamera!

Kristian Schuller: 90 Days, One Dream, Viermament Verlag.

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