Terrorwarnungen in Deutschland:Schweigen als journalistische Tugend?

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Die Medien warnen unablässig vor Terror-Hysterie und Aufgeregtheit - und praktizieren sie doch selbst. Stillschweigen ist keine Lösung. Einordnen hingegen schon.

Heribert Prantl

Die Terror-Hysterie, von der allenthalben die Rede ist, gibt es nicht in der Bevölkerung, es gibt sie auch kaum in der Politik - es gibt sie aber in den Medien. Sie warnen zwar unablässig vor Hysterie und Aufgeregtheit, praktizieren sie aber dann selbst. Das zeigt sich in Schlagzeilen, Titelgeschichten und Spitzenmeldungen von Radio- und Fernsehnachrichten. Auf die Stichwörter "Sprengstoff", "Terrorist", "Flughafen" folgen offenbar konditionierte Reflexe, noch bevor genaue Prüfung möglich war. Die Kommunikationswissenschaft erklärt das mit dem framing, abgeleitet vom englischen Wort für "Rahmen": Ein subjektiver Interpretationsrahmen bestimmt Darstellung und Bewertung; zuletzt war das so bei der angeblichen Windhuk-Bombe. Womöglich hängt der Rahmen schief.

Sicherheitsvorkehrungen vor dem Reichstag in Berlin: Die Spiegel-Meldungen über ein angeblich geplantes Reichstags-Attentat rollten am Wochenende wie ein Tsunami durch die Nachrichtensendungen. (Foto: dapd)

Die Bevölkerung reagiert erstaunlich gelassen. Sie reagiert mit Sorge, aber nicht mit Panik auf die Terrorwarnung des Bundesinnenministers und auf deren mediale Aufbereitung; es ist dies eine ähnlich verhaltene Reaktion, wie man sie schon bei der Finanzkrise hatte beobachten können. Die Deutschen beginnen, das Vorurteil zu widerlegen, dass sie mit Krisen nicht umgehen können. Und die Politik beginnt, eine Grundthese der Kommunikationswissenschaft zu widerlegen, welche lautet: "Die Medien haben der Politik ihre Regeln aufgezwungen." Bundesinnenminister Thomas de Maizière jedenfalls hat sich bisher den Versuchungen entzogen, denen seine Vorgänger erlagen: Er hat seine Terrorwarnung nicht mit der Ankündigung von Gesetzespaketen verbunden; er hat den medialen Verstärkerkreislauf kaum bedient.

Vor acht Jahren, damals war er noch Justizminister in Sachsen, hat de Maizière zwei Politikertypen gegenübergestellt: den mediengewandten Showstar - und den "unsichtbaren Politiker", der seine Akten studiert, sich mit Experten berät und Lösungen erarbeitet. Man muss nicht rätseln, welchen Typ de Maizière bevorzugt. Er versucht, nicht ohne Erfolg, innere Sicherheit durch demonstrative Besonnenheit zu erzeugen. Die Spiegel-Meldungen über ein angeblich geplantes Reichstags-Attentat kommen seiner Politik in die Quere. Sie rollten am Wochenende wie ein Tsunami durch die Nachrichtensendungen. Hätte der Spiegel ihm vorliegende Informationen unterdrücken sollen?

Franz von Sales, der als Schutzheiliger der Journalisten gilt, verbindet mit der Tugend der Besonnenheit die des Stillschweigens - das besser sei, als eine "lieblose Wahrheit" zu verkünden. Die Unterdrückung von "Lieblosigkeiten" ist aber nicht das Geschäft des Journalismus. Ihm obliegt es, Nachrichten richtig einzuordnen. Wenn die Information, die der Spiegel vermeldet hat, tatsächlich Grundlage der Terrorwarnung war, muss sie dargestellt, aber dann auch eingeordnet werden. Dazu gehört das Eingeständnis, dass niemand sagen kann, ob die BKA-Information stimmt - oder ob sie auf Windmacherei der Informanten beruht.

© SZ vom 23.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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