"taz" bringt neue Wochenendausgabe:Dick und gemütlich

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Die taz wird am Wochenende zwar dicker, doch den Mut zur Lücke wird sie weiter pflegen. (Foto: oh)

Der "taz" geht es nicht gut. Trotzdem macht sie jetzt neben der täglichen Ausgabe noch eine Wochenendzeitung, die "Platz zum Denken und Fühlen" bieten soll. Und das mitten in der Krise. Kann das klappen?

Von Renate Meinhof

Die taz ist ja, was den Umfang betrifft, ein eher dünnes Blatt. Nun wird sie "dick und gemütlich", jedenfalls wenn der Samstag kommt. 40 Seiten in West- und Süddeutschland, 52 im Rest des Landes, und alles für 3 Euro 20.

Dick und gemütlich. So wirbt die Zeitung aus der Rudi-Dutschke-Straße in Berlins Mitte für ihre neue Wochenendausgabe, und der Slogan soll natürlich ironischer Bruch sein, eine Provokation, sagt Ines Pohl, die Chefredakteurin in Turnschuhen und Jeans, etwas also, womit die taz nun schon seit 34 Jahren Erfahrung hat.

Eine neue Wochenendzeitung mit luftigerem Layout, mitten hinein in die zweite große Medienkrise, die das Ende der Financial Times Deutschland gebracht hat, und die Insolvenz der Frankfurter Rundschau?

Ines Pohl sagt: "Naja, es gibt bei uns ein Revoluzzer-Gen. Wenn hier jetzt überall Bäume gefällt werden, sagt dieses Gen, dann pflanzen wir ein neues Bäumchen."

Sie steht in ihrem Büro. Sie kann auf das Springer-Hochhaus schauen, und unten, auf die Straße, auf der Touristen sich zum Checkpoint Charlie drängen. Sie sagt: "Es ist jetzt etwas erwacht."

In der Ecke am Fenster steht Michelle Obama als Pappfigur, ein Geschenk ihrer Freundin, sagt sie. Pohls Bluse hat dieselbe Farbe hat wie Obamas Kleid. Die Obamas im Weißen Haus - das sei damals ja auch eine Revolution gewesen, ein Aufbruch, ein Erwachen.

"Irgendwie sind wir noch mittendrin"

Gerade haben Ines Pohl und Reiner Metzger, der die taz.am Wochenende verantwortet, noch hier gesessen, am flachen Tisch in der Sitzecke, und über den Feinschliff am Layout diskutiert. Diese Schrift ist zu groß, jene zu klein, und sollte man nicht, und müsste man vielleicht, und reicht es denn auch?

Es ist Mittwochabend. Dafür, dass das neue Blatt nur zwei Tage noch hat, bevor es geboren wird, um zum ersten Mal in den Briefkästen und Kiosken zu landen, wirkt manches noch sympathisch unfertig. "Irgendwie sind wir noch mittendrin", sagt Ines Pohl. Das Wort "Absprache-Wahnsinn" fällt in diesem Zusammenhang, und der Satz: "Wir ringen."

Sie ringen um die Idee einer Wochenendzeitung schon seit Herbst 2011, in verschiedenen Arbeitsgruppen sei diskutiert worden. Leicht sei das nicht gewesen. "Die Diskussionen verhakelten sich oft", sagt Ines Pohl, "alte Grabenkämpfe brachen auf." Was soll das Herzstück des neuen Wochenendes sein? Das war die Frage.

Gesiegt haben diejenigen, die sich von kleinteiligen Nachrichten verabschieden wollten, davon, ständig der Aktualität hinterherzuhecheln, wo doch längst klar ist, dass sich Leser die aktuelle Nachricht im Zweifel aus dem Internet holen, das immer schneller ist, als eine gedruckte Zeitung je sein kann.

Zum Mainstream nur eine feine Linie

Durchgesetzt haben sich diejenigen, die wollen, dass die taz.am Wochenende "weniger selbstgewiss Antworten präsentiert", dafür aber "heiter und offen Fragen stellt", und das alles mit "verlässlich links-alternativer Grundhaltung", wie Ines Pohl es formuliert. Und Spaß soll das Lesen am Wochenende machen, Genuss soll es bringen. Aber wie bekommt man das zusammen?

Zum Mainstream sei es ja immer nur eine feine Linie, sagt Ines Pohl. Die taz.am Wochenende will eigene Themen setzen, will "große gesellschaftliche Fragen aufwerfen". Was wollen wir besitzen? Wie wollen wir leben? Wie wollen wir lieben? Die neue Seite 1 soll Ruhe ausstrahlen, Opulenz, soll "Spielwiese und Fenster" zugleich sein, soll aus der alten Woche heraus und in die neue hinein wirken.

Die Titelzeile ist ein Stück nach unten gerückt. Nach oben hin sei es nun offener, sagt Pohl, "Platz zum Denken und Fühlen". Nachrichten finden nur noch auf der Seite 2 statt, die Seite 3 zeigt, unter anderem, ein großes Foto der Woche. Von Seite 4 an gibt es Reportagen, eigene Recherchen, Interviews und Porträts.

Den Anfang macht eines der Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Neu ist auch, dass die Meinungsseite nicht mehr Meinungsseite, sondern "Argumente" heißt. Eine Änderung, von der man ahnt, dass sie innerhalb des Blattes einen kleinen Kulturkampf ausgelöst haben könnte.

Zwei neue Seiten gehören dem Fortschritt

"Links-Sein" bedeute aber, Anfragen zu haben und sich selbst in Frage zu stellen, sagt die Chefredakteurin und erzählt auch, dass die Korrespondenten der taz sich vor allem über das neue Format mit dem Titel "Fortschritt" gefreut haben. Gleich zwei Seiten gehören dem Fortschritt. Sie sollen ausschließlich über Positives berichten, technische Durchbrüche, gelungene Projekte - überall auf der Welt. Ines Pohl sagt: "Am Wochenende darf man sich doch auch mal des Lebens freu'n, oder?"

Freuen kann man sich auch über die neue Rubrik "Das vergessene Rezept", das, zum Beispiel, die Frage beantwortet, was man aus der Brennnessel alles machen kann. Und neu ist, dass die taz nun sogar Themen des Anstands behandelt - im "Knigge". Die Fortschritt-Seiten sind es, die den ersten Teil der taz.am Wochenende abschließen, danach kommt, mit 24 Seiten, die sonntaz, die es seit 2009 gibt.

Und warum der ganze Umbau? Das Wochenende müsse gestärkt werden, sagt Pohl, neue Leser sollen an das Blatt gebunden werden. Menschen, die nur am Wochenende Zeit finden für eine Zeitung. Auf diese Leser setzen derzeit viele in der Branche. 5000 zusätzliche Abonnenten, das ist bei der taz das große Jahresziel. Zusätzliche Stellen hat das Blatt, das schon oft in den wirtschaftlichen Abgrund geschaut hat, allerdings nicht zur Verfügung.

Man werde "Mut zur Lücke" haben müssen, sagt die Chefredakteurin, der auch die Sorge anzumerken ist, die Redaktion könne sich überfordern, aber "glücklicherweise hat von uns noch niemand Vollständigkeit erwartet."

© SZ vom 20.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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