Streaming:Nimm dies, Netflix

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(Foto: oh)

Vor einigen Jahren sind Pläne zu einem senderübergreifenden deutschen Streamingportal am Kartellamt und anderen Hürden gescheitert. Nun scheint das mediale Großprojekt doch deutlich wahrscheinlicher zu sein. Über die Hintergründe.

Von Caspar Busse

Es ist der Traum vom deutschen Netflix, der Max Conze umtreibt. Er war lange Chef des britischen Staubsaugerherstellers Dyson, seit Juni ist er nun neuer Vorstandsvorsitzender von Pro Sieben Sat 1. Gerade einmal ein paar Wochen im Amt, hat der 48-Jährige in der vergangenen Woche ein ambitioniertes Projekt angekündigt - zusammen mit dem amerikanischen Medienunternehmen Discovery will er ein neues, sender- und firmenübergreifendes Streamingportal schaffen. Das Ziel: Netflix, dem scheinbar übermächtigen Streamingkonzern aus dem kalifornischen Los Gatos, soll nicht kampflos das Feld überlassen werden.

Aber kann das überhaupt gelingen? Vor allem das Bundeskartellamt in Bonn muss erst einmal zustimmen. "Die Anmeldung liegt jetzt vor", sagt ein Sprecher der Behörde. Nun wird geprüft, ob durch den Zusammenschluss eine möglicherweise marktbeherrschende Stellung entsteht und ob das Projekt auch mit dem allgemeinen Kartellrecht in Einklang steht.

Wie lange das alles dauern soll, ist derzeit noch offen. Der Fall ist durchaus heikel, denn zwei Mal haben die Wettbewerbshüter bislang ähnliche Projekte zu Fall gebracht. Doch diesmal sind die Aussichten offenbar besser.

Die Pläne von Pro Sieben Sat 1 sind schon der dritte Anlauf - und bewusst offen gehalten

ARD und ZDF hatten schon einmal Pläne für eine kommerzielle Online-Plattform, 2013 gaben sie diese auf, nach massiver Bedenken des Kartellamts. Bei "Germany's Gold", so der Arbeitstitel, wollten die öffentlich-rechtlichen Sender deutsche Film- und Fernsehproduktionen aus 60 Jahren auf Abruf und gegen Bezahlung anbieten. Auch die beiden größten privaten Fernsehanbieter in Deutschland, RTL und Pro Sieben Sat 1, hatten mal unter dem Titel "Amazonas" an einem gemeinsamen Internetportal gearbeitet. Doch auch das wurde durch das Kartellamt untersagt, das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte die Entscheidung später im Jahr 2012. Das marktbeherrschende Duopol der beiden Sendergruppen auf dem Markt für Fernsehwerbung in Deutschland werde dadurch verstärkt, hieß es damals zur Begründung.

Nun also startet der dritte Anlauf. In beiden vorhergehenden Fällen sei lediglich die "konkrete Ausgestaltung" untersagt worden, die Projekte seien nicht in Bausch und Bogen abgelehnt worden, ist nun aus dem Kartellamt zu hören. Problematisch sei bei "Germany's Gold" unter anderem gewesen, dass die Plattform laut Konzept nicht offen für weitere Anbieter war. Bei "Amazonas" seien negative Rückwirkung auf den Fernsehwerbemarkt befürchtet worden.

Das ist diesmal anders. Die neue Plattform von Pro Sieben Sat 1 und Discovery ist bewusst offen geplant. "Ich lade hiermit RTL, ARD und ZDF ein, mit uns gemeinsam einen deutschen Champion zu schaffen", erklärt Conze dazu. Und die haben sich zumindest bislang noch nicht ablehnend geäußert, sondern sogar vorsichtiges Interesse gezeigt. "Das ZDF ist immer noch auf der Suche nach einer Plattform, auf der deutsche TV-Produktionen von Fiktion bis Dokumentationen angeboten werden können", sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut zuletzt nach einer Sitzung des ZDF-Fernsehrats in Mainz. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm meinte, dass es derzeit interessante Entwicklungen gebe, die man sich anschauen werde. Auch die Bertelsmann-Tochter RTL, die eigentlich TV Now ausbauen will, ihre Plattform für die eigenen Sender - zeigte sich "grundsätzlich offen". Axel Springer mit Welt und N 24 Doku sowie Constantin Medien mit Sport 1 sind bereits an Bord.

"Ist es nicht sinnhafter, wenn wir uns zusammentun?", fragt Conze - und hat damit womöglich recht. Denn gerade im Netz gilt das Gesetz der Größe. Je mehr Nutzer eine Plattform hat, desto erfolgreicher ist sie, nach dem Motto: "The winner takes it all." Es gibt eine - möglicherweise - verhängnisvolle Tendenz zum Monopol. Das zeigt sich bei Facebook, Google oder Amazon, die alleine durch ihre schiere Größe erfolgreich sind und kleinere Anbieter verdrängen. Darauf weist auch immer wieder Kartellamtspräsident Andreas Mundt hin und ist beispielsweise gegen die Praktiken der Hotelbuchungsplattform Booking.com vorgegangen. Gegen Facebook wird ebenfalls ermittelt.

Netflix kommt inzwischen auf weltweit 125 Millionen Nutzer, bereits mehr als die Hälfte von ihnen leben außerhalb der USA. Alleine in Deutschland könnten es nach Schätzungen Ende dieses Jahres bereits fünf Millionen sein, so viele Abonnenten hat auch der Bezahlsender Sky. Eine gemeinsame senderübergreifende Plattform mit frei empfangbaren und kostenpflichtigen Angebote könnte sich da möglicherweise behaupten.

Schon jetzt wären die Sender von Pro Sieben Sat 1 und die von Discovery, darunter auch Eurosport, dabei. "Das Angebot ist jetzt schon groß", sagt ein führender Medienmanager.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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