Streaming:Der hellste Ort der Welt

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In Bamiyan lernen jetzt auch Kinder Skifahren. (Foto: Daniel Etter)

Wie zwei hartgesottene Skisportler aus Afghanistan zwischen Hündchen im Anorak und Après-Ski-Hits landeten: Ein Dokumentarfilm voll schräger Kontraste.

Von Titus Arnu

Unberührter Tiefschnee, blauer Himmel, hohe Gipfel: Die Koh-e-Baba-Berge bei Bamiyan in Zentralafghanistan könnten ein bekanntes Skiparadies sein. Aber es gibt dort keine Pisten, keine Lifte, keine Hotels, keine Après-Ski-Bars. Die afghanischen Wintersportler Sajjad Husaini und Alishah Farhang stapfen mühsam mit Tourenskiern durch Pulverschnee bergauf, um dann aus fast 4000 Metern Höhe abzufahren.

Bamiyan, wörtlich übersetzt der "hellste Ort der Welt", liegt weitab der Touristenströme, 200 Kilometer nordwestlich von Kabul. Das Hochtal war in den Siebzigern bei Hippies beliebt, die in Richtung Nepal und Indien reisten. Heute wagen sich nur wenige hartgesottene Abenteurer in die Gegend. So auch ein italienischer Ski-Guide, der vor zehn Jahren die abgelegenen Berge erkunden wollte. Sajjad Husaini und Alishah Farhang fragten ihn, was das für komische Dinger seien unter den Schuhen.

Schließlich standen sie, damals noch Teenager, zum ersten Mal auf den Brettern und sausten die Berge hinunter. Und dann war da ein zweiter Zufall, in Gestalt des Schweizer Journalisten Christoph Zürcher, der damals als Korrespondent für die Neue Zürcher Zeitung über die Situation in Afghanistan berichtete. Er gründete dort 2011 einen Skiklub. Und er brachte Saijad und Alishah auf eine verwegene Idee: Noch nie hatten afghanische Athleten an Olympischen Winterspielen teilgenommen - ob sie es mit Schweizer Unterstützung und vier Jahren Training nicht schaffen könnten? Die jungen Männer begannen 2014, für die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang zu trainieren.

Dann folgte Zufall Nummer drei: Der Hamburger Fotojournalist Daniel Etter, ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis, entdeckte das Thema und beschloss, einen Dokumentarfilm über die Athleten zu drehen. Für den Film Where the Light Shines begleitete er die Sportler über vier Jahre, filmte sie beim Trainieren in den Alpen und zu Hause in Bamiyan. Es ist ein Film der krassen Kontraste: Aus dem staubigen, armen Bamiyan reisen die hoffnungsfrohen Athleten ausgerechnet nach St. Moritz, den Wintersportort der Superreichen.

Dort carven sie zum ersten Mal auf präparierten Pisten, wohnen in der Jugendherberge, bestaunen Touristen, die lauthals "Biene Maja" singen, und begegnen Schoßhündchen im Pelzmantel. Dank professionellem Trainer, Unterstützung einer deutschen Skifirma und des Tourismusvereins St. Moritz machen Saijad und Alishah schnell Fortschritte, für die Olympia-Teilnahme reicht es aber nicht. Etwas anderes aber gewinnen sie: weltweite Aufmerksamkeit, internationale Erfahrung - und eine Perspektive für Bamiyan. "Das ist mein Land, und dafür kämpfe ich", sagt Alishah Farhang.

Die zwei Athleten bringen heute jungen Männern in Bamiyan bei, wie man Pflug und Bogen fährt. Im Frühjahr 2019 wurde dort der erste Lift eröffnet - ein Mofa, das ein Seil antreibt.

Where the Light Shines , auf Amazon Prime, Vimeo und iTunes.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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