"Stille Pandemie" auf Arte:Wenn nichts mehr hilft

Lesezeit: 2 min

Geflügelfleisch in den USA: Wie groß ist die Gefahr der Übertragung von resistenten Erregern? (Foto: Broadview Pictures)

Millionen Menschen sterben an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen. Die Doku "Stille Pandemie" zeigt die Suche nach einem Ausweg.

Von Kristina Kobl

Tausende Kükeneier werden auf dem Fließband geimpft, bevor Tausende Küken über das Fließband hüpfen. Die Impfung stärkt das Immunsystem der Masthähnchen - und bildet die neue Alternative zu Antibiotika. Das ist eins der wenigen positiven Beispiele eines Dokumentarfilmes, der eine weitere Krise unserer Zeit in seiner ganzen Tragik thematisiert.

Während das Coronavirus sichtbar Menschen tötet, fordern Antibiotikaresistenzen ihre Opfer fast heimlich. Doch auch das erschüttert das Gesundheitssystem enorm. Mehr als 1,2 Millionen Menschen starben 2019 einer Schätzung zufolge weltweit an einer Infektion mit einem resistenten Erreger. Die WHO benutzt seit 2021 den Begriff "stille Pandemie". Denn so schnell, wie sich neue Resistenzen bilden, können keine neuen Antibiotika hergestellt werden. Der Dokumentarfilm Stille Pandemie - Der globale Kampf gegen Antibiotika-Resistenz von Michael Wech betrachtet dieses Problem im Stil eines wissenschaftlichen Thrillers aus verschiedenen Perspektiven und aus sieben verschiedenen Ländern. Er ist die Fortsetzung der Produktion Resistance Fighters - Die globale Antibiotika-Krise und soll aufzeigen, wie sich die Krise lösen lässt.

Gegen eine bestimmt Typhussorte wirken nur noch zwei Antibiotika - und vielleicht nicht mehr lange

Der Dokumentarfilm spielt in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, USA, Pakistan und Uganda. Er zeigt dadurch filmisch, dass es ein globales Problem ist, eine Pandemie. Der Keim ist weltweit eine Bedrohung, Wissenschaftler machen sich wie Detektive auf die Suche nach Lösungen, zeigen die Schicksale von Betroffenen. Zuschauerinnen und Zuschauer lernen eine Frau aus Columbia, Massachusetts kennen, die unter einer bakteriellen Darmentzündung litt, weil sie fahrlässig Antibiotika einnahm. Erst durch eine Stuhltransplantation mit fremden Darmbakterien konnte der lebensbedrohliche Keim besiegt werden. Man begegnet einer jungen Frau aus Niedersachsen, die aufgrund einer Blutvergiftung ohne klare Diagnose verschiedene Antibiotika einnahm. Erst nach 16 Tagen war die Ursache klar, und das richtige Antibiotikum konnte eingenommen werden. Bis dahin waren ihre Hände und Füße abgestorben. Und man lernt, dass in Pakistan eine Typhus-Variante auf alle Antibiotika bis auf zwei resistent ist. Doch es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch diese zwei nicht mehr wirken, heißt es. Protagonisten und Forscher führen durch den Film, mit ihnen gelingt es, alle Aspekte sinnvoll miteinander zu verbinden. Weit entfernt von einer trockenen Dokumentation, ist Stille Pandemie eine filmische Hochleistung.

Die Mikrobiologin Steffi Rocchi gehört zu den Experten im Film, sie hat einen zunehmend resistenten Schimmelpilz in der Umwelt nachgewiesen. (Foto: Broadview Pictures)

Falls die Auswahl der Figuren und Szenen gewollt aufs Extreme und Drama abgehoben haben sollte - dann hat es den gewünschten Effekt: Man versteht, etwas muss sich ändern. Es zeigt sich, wie sich der eigene Gebrauch von Antibiotika auf andere auswirkt. Wer fahrlässig, also ohne triftigen Grund Antibiotika einnimmt, schadet auch der Gesellschaft - durch die schnelle Ausbreitung resistenter Keime.

Newsletter abonnieren
:SZ Film-Newsletter

Interessante Neuerscheinungen aus Film, Streaming und Fernsehen - jeden Donnerstag in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Die düstere Hintergrundmusik erinnert an jede beliebige Folge der dystopischen Serie Black Mirror, ruft Angst und Unwohlsein hervor. Und auch in den Gesprächen bleibt der hoffnungsvolle Tonfall aus - trotz vieler Lösungsansätze. Für Optimismus ist es auch zu früh. Muhammad Zaman, Gesundheitswissenschaftler an der Boston University, warnt gegen Ende des Films: "Wir tun so, als ob es eine stille Pandemie wäre. Aber sie ist nicht still, sie versteckt sich nicht. Wir sind es, die sich vor ihr verstecken."

Stille Pandemie, Der globale Kampf gegen Antibiotika-Resistenz, in der Arte-Mediathek .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungKrieg und Corona
:Putin hat gewonnen

Seit dem Einmarsch in die Ukraine ist Corona besiegt. Zumindest könnte man das denken. Über die Grenzen unserer Aufmerksamkeit und darüber, was das für Krisen und Katastrophen bedeutet.

Kommentar von Werner Bartens

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: