Serie: Neue Medien (1):Im Auftrag des Konzerns

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Marketing am Golf von Mexiko: Der Ölkonzern und seine "BP- Reporter" im Einsatz.

Willi Winkler

Es ist nämlich ganz einfach: "Just stick to the facts". Halt dich einfach an die Tatsachen. Diesen Rat, der auf jeder Journalistenschule ausgeteilt wird, wird Tom Seslar von einem Taxifahrer zuteil, mit dem sich auf dem Weg zum Flughafen Houston ein bemerkenswertes Gespräch über die Ethik des Berufs entspinnt. "Ihre Arbeit ähnelt doch sehr der meinen", versichert der Chauffeur, nachdem sich der Fahrgast als Reporter zu erkennen gegeben hat. Die Sache mit der Ölkatastrophe sei natürlich "traurig und unglücklich". Da er aber nie wisse, wie seine Fahrgäste darüber dächten, halte er sich einfach an die Tatsachen. Und da, so sagt der weise Taxler, "da sehe ich die Verwandtschaft in der Art, wie wir beide arbeiten".

Kampf ums Öl: BP-Reporter fürs Image - am Golf von Mexiko. (Foto: dpa)

Tom Seslar war so dankbar für den Rat, dass er ihn sofort in seinem BP-Blog weitergab, der am 17. Mai unter dem Titel "Bei der Ölkatastrophe ist nichts einfach" erschien.

Also gut. Die Fakten: Am 20. April explodierte im Golf von Mexiko die Ölbohrplattform Deepwater Horizon. Seither tritt fast ungehindert Öl aus und verunreinigt das Meer. Die Ölschwemme hat bisher die Küste von vier amerikanischen Bundesstaaten erreicht, nach Angaben des Konzerns British Petroleum (BP), der die Plattform betreibt, ist bereits ein Schaden von knapp zwei Milliarden Euro entstanden. Es handelt sich um die größte Umweltkatastrophe, die die USA bisher erlebt haben.

BP zeigt sich zerknirscht, der Vorstandsvorsitzende Tony Hayward erschien vor einem Untersuchungsausschuss des amerikanischen Kongresses, der Konzern verhandelt mit Fischern, mit Hotelbetreibern, mit der Regierung, aber er verzichtet deshalb noch lange nicht auf gesundes Marketing.

So hat BP bei Suchmaschinen wie beispielsweise Google Begriffe wie "oil spill" (Ölpest), "volunteer" (Freiwilliger) oder "claims" (Anspruch auf Schadenersatz) gekauft, damit neben den Suchergebnissen die Anzeige für die Website von BP weit oben landet und der Nutzer gleich mit der Interpretation des Verursachers dieser Ölpest vertraut wird.

Das Repertoire ist damit aber längst nicht erschöpft. Das Bohrloch im Golf von Mexiko gibt schließlich auch keine Ruhe. Da wiederum ist der faktengestützte Journalismus nützlich und Tom Seslar der richtige Mann für dieses Geschäft. Wenn er seine Texte vom verunreinigten Meer ins Internet kippt und für die Firmen-Website Planet BP schreibt, bezeichnet er sich als "BP-Reporter". Gibt es ihn wirklich? Leider, schreibt ein Sprecher aus der BP-Zentrale in London, leider sehe man keine Möglichkeit, "persönliche Details über diese Reporter zu nennen". Tom Seslar, so viel gibt das Internet immerhin her, nennt als Wohnort Chicago und als Arbeitsbereich "Oil & Energy Consultant and Contractor".

In dem bereits zitierten Beitrag rühmt sich der Energieberater Seslar, bereits seit 37 Jahren für BP zu arbeiten. Das Privateste allerdings enthüllt er in seinen Beiträgen selber: Mr. Seslar ist ein Poet. Nachdem er vom Taxi ins Flugzeug und dann in einen BP-Hubschrauber umgestiegen ist, genießt er die "seltsame Ruhe" über dem Golf und lässt seine Gedanken wandern. Erst registriert er die "riesigen Anlagen an der Küste", die, das musste mal wieder gesagt werden, "Tausenden Arbeit geben". "Bald jedoch", schwärmt der Überflieger, "ändert sich das Bild, es ist fast, als gäbe es einen zunehmenden Wettstreit zwischen Land und Wasser darum, wer die Landschaft beherrscht. Schließlich gewinnen die Marschen und Sümpfe die Oberhand."

Ach, wie herrlich leuchtet ihm die Natur: "Von hoch oben kann ich deutlich erkennen, wie wichtig und zugleich empfindlich die sandigen Feuchtgebiete sind, die durch ein gefährdetes Ineinandergreifen der Pflanzenwelt zusammengehalten werden."

Nur böswillige Beobachter würden jetzt einwenden, dass das keine Lyrik, sondern die übliche Prosa sei, mit der Firmen ihre Jahresberichte und Verkaufsprospekte auskleiden. Wenigstens fünfzig Millionen Euro hat BP bisher allein für Fernsehwerbung ausgegeben, für Versuche, das Image des Konzerns, wieder in den Stand der Unschuld zurückzudichten, in einen Bereich, in dem sich Natur und Technik so schön vermählen wie die luftigen Feuilletons Tom Seslars.

"Wir nutzen unser Pressebüro, unsere Website und weitere Kommunikationsmittel, um die Menschen über unsere Arbeit zu unterrichten", versichert BP auf Anfrage. Tom Seslar leistet dafür tapfer seinen bescheidenen Beitrag. Sein Bericht endet mit einem metaphorischen Wetterbericht: "Hier oben, in einer Höhe von 450 Metern, sind die Wolken im strahlenden Licht weiß gebauscht, doch werfen sie dunkle Schatten auf das mit Wellen durchzogene Wasser unten."

Dunkle Schatten, weiße Wolken, fettes Öl: Das sind die Fakten, die der Journalismus dringend braucht.

© SZ vom 01.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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