Sendeschluss:Al Jazeera America gibt auf

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Der Fernsehkanal Al Jazeera America stellt den Betrieb ein. (Foto: REUTERS)

Vom "Sender des Feindes" war die Rede, als Al Jazeera in den USA startete. Nun endet die Geschichte eines Missverständnisses - ausgerechnet ein Freund von Fox News will den frei werdenden Kabelplatz.

Von Claus Hulverscheidt

Peyton Manning setzte eine gekünstelte Leidensmiene auf und sagte dann einen einzigen sarkastischen Satz: Es sei sicher "furchtbar für die Zuschauer", dass der Fernsehkanal Al Jazeera America den Betrieb einstelle, erklärte der Football-Profi, der in den USA ähnlich populär ist wie der Fußballer Lionel Messi im Rest der Welt.

Erst kürzlich hatte Al Jazeera den Nationalhelden Manning mit Doping-Vorwürfen konfrontiert und damit den Zorn der Fans auf sich gezogen. Der neue Fernsehsender aus Katar und das alte Amerika - die beiden sind in knapp zweieinhalb Jahren nie wirklich warm miteinander geworden.

Am 30. April ist nun Schluss mit dem Missverständnis, das beim Start 2013 als eines der aufregendsten Experimente der jüngeren Fernsehgeschichte galt. Guten, neutralen Journalismus wollte Al Jazeera in die Vereinigten Staaten zurückbringen, wo sich etablierte Konkurrenten wie Fox News, CNN und MNSBC tatsächlich oft eher als Wahlkampfhelfer einzelner Kandidaten denn als unabhängige Berichterstatter gerieren. Dass er sich mit dem postulierten Anspruch die Wettbewerber zu erbitterten Gegnern machte, stand einer Erfolgsgeschichte von Beginn an allerdings ebenso im Wege wie die Tatsache, dass der Kanal aus der Region stammt, in der die Terroranschläge vom 11. September 2001 ersonnen wurden. Vom "Sender des Feindes" war in den USA häufig die Rede.

"Al Jazeera America" geht auf Sendung
:TV-Experiment ohne Budgetgrenzen

"Al Jazeera America" nimmt den Betrieb auf - und will faktenbasierte, unvoreingenommene und tiefschürfende Nachrichten liefern. Aber die Amerikaner damit zu überzeugen, dürfte nach dem 11. September 2001 schwierig werden.

Von Kathrin Werner, New York

Letztlich gescheitert ist Al Jazeera America aber weniger an kulturellen Schwierigkeiten als an schnöden finanziellen: Angesichts des Ölpreisverfalls wollte das katarische Herrscherhaus offenbar nicht mehr Monat für Monat Millionen Dollar in einem Kanal versenken, den selbst zur besten Sendezeit im Schnitt keine 30 000 Zuschauer einschalten. Zum Vergleich: Bei Fox News, dem Sprachrohr der Neokonservativen, sind es mehr als 1,5 Millionen.

Aber auch im Unternehmen selbst rumorte es: Zwar heimste der Sender eine Reihe journalistischer Auszeichnungen ein, ehemalige Mitarbeiter berichteten aber immer wieder auch von einem Klima der Angst sowie von sexistischen und antisemitischen Ausfällen einzelner Angestellter.

Für die Medienvielfalt in den USA ist das Aus dennoch ein Schlag - zumal sich bereits ein Bewerber für den frei werdenden Sendeplatz im Kabel gemeldet hat: Charles Herring, Chef des kleinen Nachrichtenkanals One America News Network. Sein Vorbild, wirtschaftlich wie politisch: Fox News.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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