"Al Jazeera America" geht auf Sendung:TV-Experiment ohne Budgetgrenzen

"Al Jazeera America" geht auf Sendung: Der Regieraum des neuen Al Jazeera-Nachrichtenstudios in New York

Der Regieraum des neuen Al Jazeera-Nachrichtenstudios in New York

(Foto: AFP)

"Al Jazeera America" nimmt den Betrieb auf - und will faktenbasierte, unvoreingenommene und tiefschürfende Nachrichten liefern. Aber die Amerikaner damit zu überzeugen, dürfte nach dem 11. September 2001 schwierig werden.

Von Kathrin Werner, New York

Noch sind sie geheim, die ersten Worte des neuen Senders. Vielleicht lauten sie einfach: "Good afternoon America, this is Al Jazeera America." Am Dienstagnachmittag strahlt der Ableger des Nachrichtenkanals aus dem Emirat Katar zum ersten Mal in 48 Millionen amerikanische Haushalte aus. Es ist das größte Experiment im US-Fernsehen seit dem Start des rechtskonservativen Nachrichtensenders Fox News im Jahr 1996.

Nachdem amerikanische Traditionszeitungen wie die Washington Post und der Boston Globe kürzlich an Milliardäre verkauft wurden und Starinvestor Warren Buffett schon mehr als 60 Lokalzeitungen übernommen hat, spendiert nun die Königsfamilie aus Katar dem Land einen Fernsehsender. Amerikas Medienlandschaft wird von Superreichen finanziert. Und die investieren kräftig.

16-köpfiges Team allein für investigativen Journalismus

Den Al-Jazeera-Leuten ist es gelungen, einige Starreporter von der Konkurrenz abzuwerben. Kate O'Brian, die angesehene Nachrichtenchefin von ABC, ist als Präsidentin für die gesamte journalistische Strategie zuständig. Der Wirtschaftsexperte Ali Velshi und die Reporterin Soledad O'Brien kamen von CNN. Korrespondent für das Weiße Haus wird Michael Viqueira von NBC. Ed Pound, der unter anderem für die New York Times und das Wall Street Journal schrieb, leitet ein 16-köpfiges Team für investigativen Journalismus. Insgesamt beschäftigt Al Jazeera America fast 900 Leute. Sie waren schon unterwegs für den Sender, etwa in Ägypten und in Haiti.

Al Jazeera hat Geld - der Sender will weniger als halb so viel Werbung ausstrahlen wie die Konkurrenz und 14 Stunden Nachrichten pro Tag. Dazu kommt eine Mischung aus Newsshows. Der Hauptsitz ist New York, dazu kommen Büros in zwölf amerikanischen Städten, die andere Sender aus Kostengründen oft vernachlässigen, darunter New Orleans, Denver und Dallas. Vom Büro in Washington aus haben die Journalisten das Weiße Haus im Blick.

Kann sich Al Jazeera besseren Journalismus leisten, weil Geld für die erdölreichen Eigner keine Rolle spielt? Die neuen Starreporter glauben: ja. Knappe Budgets gebe es nicht, sagt Ex-CBS-Talkshowmoderator Antonio Mora: "Es gibt hier ein Gefühl, dass Nachrichten ein wichtiges Allgemeingut sind." Der neue Sender will alles besser machen, was ausländische Zuschauer am amerikanischen Fernsehen nervt. "Die Zuschauer werden einen Nachrichtenkanal sehen, der anders ist als all die anderen, unser Programm wird beweisen, dass Al Jazeera America faktenbasierte, unvoreingenommene und tiefschürfende Nachrichten sendet", sagt Senderchef Ehab Al Shihabi. "Es wird weniger Meinung, weniger Geschrei und weniger Promiklatsch geben."

Doch die Amerikaner davon zu überzeugen, wird eine große Aufgabe. Schließlich haben es viele dem Sender noch nicht verziehen, dass er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 fast ungefiltert Al-Qaida-Videos sendete. Kritiker werfen Al Jazeera, insbesondere dem arabischen Programm, eine antiamerikanische und antijüdische Neigung vor und werfen die Frage auf: Ist das Dschihad-Fernsehen? Paul Beban, neuer Korrespondent in Denver, wurde kürzlich gefragt, ob er eine Burka tragen müsse. Die Antwort: "42 lang war gerade aus" - seine Größe sei nicht verfügbar gewesen.

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