Schweiz:In der Tasche

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Migros ist eine der beiden größten Supermarktketten in der Schweiz. Und einer der beiden Werbe-Riesen. (Foto: Manuel Geisser/Imago)

Die Supermarktketten Migros und Coop dominieren den Werbemarkt. Was bedeutet ein solches Duopol für die von Anzeigenverlusten gebeutelten Schweizer Printmedien? Leidet die kritische Berichterstattung unter der Abhängigkeit von den beiden Handelsriesen?

Von Isabel Pfaff

Selbst in den abgelegensten Bergdörfern erleuchten ihre orangefarbenen Logos die Straßen: Die Supermärkte der Einzelhandelsriesen Migros und Coop sind in der Schweiz allgegenwärtig. Die Genossenschaften nehmen im Lebensmittelgeschäft eine weltweit wohl einzigartige Position ein: Sie kontrollieren den Markt zu mehr als 70 Prozent. Die deutschen Marktführer Edeka und Rewe kommen zusammen nur auf rund 40 Prozent.

Auch bei den Werbebudgets besetzen Coop und Migros Spitzenplätze. Die Marktforscher von Media Focus küren die beiden Firmen regelmäßig zu den beiden wichtigsten werbetreibenden Unternehmen der Schweiz. Nirgendwo ist ihre Dominanz so stark wie im Printbereich, das zeigen Media-Focus-Zahlen des ersten Halbjahres 2018. Demnach besetzt Coop den ersten Platz, Migros den zweiten - und unter den Top 10 finden sich zusätzlich noch Tochterunternehmen der beiden Firmen.

Was bedeutet ein solches Duopol für die Schweizer Printmedien? Immerhin sind Zeitungen und Magazine noch immer stark abhängig davon, dass Unternehmen bei ihnen Anzeigen schalten. Und gerade der Rückgang des Anzeigenvolumens insgesamt hat das Online-Magazin Republik Anfang des Jahres in einer großen Geschichte zu dem Schluss kommen lassen: "Die Migros hat die Schweizer Medien in der Tasche." Leidet am Ende die kritische Berichterstattung über die wichtigen Anzeigenkunden Migros und Coop? Ein Blick in die großen Schweizer Tageszeitungen erregt zunächst keinen Verdacht. Die NZZ etwa kritisierte im Februar erhebliche "strukturelle Mängel" im Migros-Unternehmen. Der Tages-Anzeiger sprach anlässlich der Migros-Präsidentschaftswahl Ende März von einem "grotesken Trauerspiel". "Coop-Mitarbeiter müssen an Heiligabend bis 20 Uhr arbeiten", lautete eine Schlagzeile im November.

Doch es gibt Anzeichen dafür, dass die enormen Werbebudgets nicht spurlos an Schweizer Medienmachern vorbeigehen. Zweifel seien angebracht, schrieb auch die Republik. "Wenn die Migros bei mir ein Inserat macht, dann muss sie sich nicht blöde heruntermachen lassen", sagte im April 2016 der damalige Chefredakteur der Basler Zeitung, Markus Somm. Er erhielt Zuspruch von prominenter Seite - von Hanspeter Lebrument, Verleger der Somedia-Zeitungen und damals Präsident des Verbandes Schweizer Medien: "Als Verleger kann ich nicht den Helden spielen und dabei einen Großkunden verärgern." Auch seine Zeitungen würden sich einen Angriff auf die Migros gut überlegen. Nur Einzelfälle? Eine Studie der Uni Fribourg aus dem Jahr 2014, für die mehr als 1000 Schweizer Journalisten befragt wurden, kommt zu einem anderen Schluss: Vor allem in Wochenpresse und Tageszeitungen sei man zunehmend bemüht, Werbekunden positiv darzustellen. Migros und Coop erstrahlen also nicht nur auf Schweizer Straßen.

© SZ vom 02.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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