Schweiz:Frauenhaus

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Hat die "Neue Zürcher Zeitung am Sonntag" ein Diskriminierungsproblem? Der Chefredakteur widerspricht: Sein Blatt sei "ein Sprungbrett für Frauen". An diesem Dienstag steht in der Redaktion eine Aussprache an.

Von Charlotte Theile

An diesem Dienstag steht in Zürich eine Aussprache an. Felix E. Müller, Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag, hat die Frauen seiner Redaktion zum Gespräch geladen. Es geht um Grundsätzliches. Nicht wenige Mitarbeiterinnen haben das Gefühl, in Karrierefragen benachteiligt zu werden: schlechtere Bezahlung, weniger Aufstiegschancen, geringe inhaltliche Mitsprache. Hat die NZZ am Sonntag ein Frauenproblem?

Chefredakteur Müller will davon nichts wissen. Im Branchenvergleich habe man einen sehr hohen Frauenanteil und behandle beide Geschlechter gleich. Anderslautende Aussagen seien "falsch, rufschädigend und justiziabel". Dass in den vergangenen Jahren viele Frauen seine Redaktion verlassen haben, sieht Müller nicht als Beleg für Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, sondern als Ausweis der Frauenförderung. Die NZZ am Sonntag sei "ein Sprungbrett für Frauen, die im Journalismus oder in verwandten Branchen Karriere machen wollen".

Bei den Mitarbeiterinnen der NZZ klingt das etwas anders. Wenn Frauen die gleichen Löhne wie Männer forderten, hätte das schon mal einen Abbruch der Verhandlungen zur Folge. Auch wer seine Arbeitszeiten aufstocken wolle, beiße auf Granit. "Wenn dann ein Mann deine Stelle übernimmt und zum Beispiel das höhere Pensum bekommt, für das du vergeblich gekämpft hast, ist das frustrierend", sagt eine frühere Mitarbeiterin. Andere bleiben - und berichten vom täglichen Kampf um Mitsprache, dem sie sich kaum entziehen können: In der Schweizer Medienlandschaft gibt es nur wenige Ausweichmöglichkeiten. Wer bei der altehrwürdigen NZZ unzufrieden ist, kann sein Glück beim Tages-Anzeiger versuchen. Oder bei einer deutlich kleineren Publikation.

Es ist wohl kein Zufall, dass der Ärger gerade bei der NZZ am Sonntag hochkocht. Auch in anderen Schweizer Zeitungen ist die Berichterstattung männlich dominiert. Das Sonntagsblatt aber gilt als moderne, urbane Lektüre, die bei Leserinnen und Journalistinnen beliebt ist. Ein Großteil der Angestellten arbeitet in Teilzeit. Chefredakteur Müller führt das darauf zurück, dass "der Betrieb einer Wochenzeitung familienverträglicher ist als der einer Tageszeitung". In diesem Umfeld fallen etwaige Ungleichbehandlungen stärker auf als in einer kleinen Lokalredaktion.

Auch steht die NZZ in der Schweiz unter besonderer Beobachtung: Chefredakteur Eric Gujer schärft derzeit die wirtschaftsliberale Blattlinie. Die Sonntagsausgabe steht politisch etwas weiter links, sie ist vielen Konservativen ein Dorn im Auge. Erst vor ein paar Wochen gab es Gerüchte, der rechtskonservative Journalist Philipp Gut, derzeit stellvertretender Chef der Weltwoche, solle neuer Inland-Chef der NZZ am Sonntag werden. Das wurde schnell dementiert. Dennoch blieb eine Unruhe, besonders bei den Frauen der Redaktion. Philipp Gut hat sich in den vergangenen Jahren unter Chefredakteur und SVP-Mitglied Roger Köppel ein dezidiert rechtspopulistisches Profil erschrieben. Eines seiner Lieblingsthemen: die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Erst Ende Februar schrieb Gut zornig über die "angebliche Diskriminierung der Frau" in der Arbeitswelt - und zitierte darin einen Psychiater mit den Worten: "Frauen wollen geordnet werden."

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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