Radionacht:Das wahre Kino

Lesezeit: 2 min

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Der Deutschlandfunk widmet dem Regisseur Max Ophüls eine lange Radionacht.

Von Fritz Göttler

Das Aufgebot ist gewaltig an Attraktionen und Schauwerten, an Spektakulärem und Skandalösem: die Wahrheit, die volle Wahrheit über das Leben der Lola Montez, ihre Bühnenerfolge, ihre zahllosen Liebhaber. "Zerfetzte Herzen, vergeudete Vermögen, die Sarabande der Liebe." Das Ganze dargeboten in einer aufwendigen Zirkusshow, in der sie am Ende ihrer Karriere sich selbst präsentiert. Die Apotheose dieser Karriere war, als Lola nach München kam, wo sie eine Liebe begann mit König Ludwig I.

Mit dem Aufgalopp des Films Lola Montez beginnt die Radioretrospektive Die Liebe. Das Leben. Eben. Eine lange Nacht mit Filmen von Max Ophüls, drei Stunden, gestaltet von Martina Müller, die seit Jahren mit seinem Werk ganz intim vertraut ist. Es sprechen Corinna Harfouch und Ulrich Noethen. Die Nacht lässt Lola Montez lebendig werden und das Leben und Max Ophüls und seine Filme. Und im Medium Radio sind die Übergänge zwischen all diesen besonders schön und fließend, schon deshalb, weil Ophüls' Filme vorführen, dass Kino mehr ist als Bilder, dass hier alles zusammenspielt, die Farbigkeit der Bilder und des Sprechens und der Töne.

Bewegend, wenn Ophüls selbst zu hören ist, über seine Liebe zu den Frauen, seine Trauer über die Dummheit der Produzenten

Lola Montez war - in Farbe und Cinemascope - 1955 die größte Produktion des europäischen Kinos, die teuerste, mit den größten Stars. Martine Carol verkörperte die Lola, die vor Brigitte Bardot der größte Star des französischen Kinos war. Das weckte allergrößte Erwartungen der Geldgeber. Und dann war es ein Riesenskandal - und ein schlimmes finanzielles Debakel.

Newsletter abonnieren
:SZ Film-Newsletter

Interessante Neuerscheinungen aus Film, Streaming und Fernsehen - jeden Donnerstag in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Ophüls' Leben war pure Unrast, er fing mit Bühnen- und Rundfunkarbeit an, in den Dreißigern gab es erste Kinoerfolge ( Liebelei, nach Schnitzler), dann die Flucht vor den Nazis nach Frankreich, schließlich weiter nach Hollywood, wo er vier Filme drehen konnte. Nach dem Krieg kehrte er zurück nach Europa, konnte aber nur in Frankreich Filme machen ( Der Reigen, wieder nach Schnitzler), Lola Montez war sein letzter Film, er starb 1957. Publikum und Presse waren wütend über Lola, nur die Kollegen sprangen Ophüls zur Seite, Jean Cocteau, Roberto Rossellini, Jacques Becker, und, damals noch ein Kritiker, François Truffaut: das wahre Kino der Avantgarde!

Bewegend, wenn Ophüls selbst zu hören ist, über seine Liebe zu den Frauen, seine Trauer über die Dummheit der Produzenten. Die wunderbare Geschichte, wie er als Bub die Inschrift auf der Frankfurter Oper "Dem Wahren, Schönen, Guten" liest und am Abend dem Großvater, einem Kaufmann berichtet: "Den schönen guten Waren ..."

Wer die Filme kennt, hat natürlich seine Lieblingsstellen im Ohr - Adolf Wohlbrück im Reigen, wenn er den Titelwalzer anklingen lässt. Peter Ustinov als Lolas Ringmeister, der sie behutsam durch Spektakel und Erschöpfung leitet. Vielleicht werden einige Hörer durch den Drive der Sendung zu den Filmen verlockt. Lola Montez und Liebelei sind als DVD in der Edition Filmmuseum verfügbar. Ophüls' Filme, resümiert Martina Müller, "eine Abfolge von Irritationen und Störungen innerhalb einer Ordnung, die nicht zusammenbricht. Übrig bleiben Tote und Gespenster."

Die Liebe. Das Leben. Eben. Eine Lange Nacht mit Filmen von Max Ophüls , DLF Kultur, Nacht zu Samstag, 0.05 Uhr und DLF, Samstag, 23.05 Uhr.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: