Drei Jahre sind es noch, bis eine Frist endet, die Bayerns Finanzministern schon seit langem Unbehagen verursacht. Im Jahr 2015 läuft der Urheberrechtsschutz für Adolf Hitlers Mein Kampf aus, dann kann im Prinzip jeder das Buch nachdrucken. Noch gehören die Rechte dem Freistaat Bayern als Rechtsnachfolger des Münchner Eher-Verlags. Und seit 1946 hält sich das Finanzministerium strikt an die Verpflichtung, die es damals den Alliierten gegeben hatte, den Text unter Verschluss zu halten.
Am Dienstag kündigte Finanzminister Markus Söder (CSU) einen Sinneswandel in der Sache an: Schon bis 2015 soll das Münchner Institut für Zeitgeschichte eine wissenschaftlich-kritische Edition von Mein Kampf herausgeben. Daran wird längst gearbeitet, nun aber auch mit der offiziellen Unterstützung des Freistaats - und finanzieller Hilfe. Mit 500.000 Euro wird das Projekt gefördert, aus den Etats des Wissenschafts- und des Finanzministeriums.
"Das Ziel ist die Entmystifizierung des Buches", sagte Söder im Nürnberger Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, wo er sich mit Vertretern des Zentralrats der Juden, der Sinti und Roma, der Kirchen und mit Wissenschaftlern getroffen hatte, um den künftigen Umgang mit Mein Kampf zu besprechen. "Es muss klar werden, welch großer Unsinn mit fatalen Folgen das ist", sagte Söder.
Rechtsstreit um die Zeitungszeugen noch nicht abgeschlossen
Mit einer quellenkritischen Ausgabe des Werkes seien die Verbände einverstanden, heißt es. Kürzlich hatte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München, vor der unheilvollen Wirkung von Hitlers Buch gewarnt, wenn es einmal nachgedruckt werden könnte und für jedermann am Kiosk erhältlich sei. Die Diskussion neu entfacht hatte der britische Verleger Peter McGee, der Anfang des Jahres kommentierte Auszüge aus Mein Kampf in seinem historischen Presseprojekt Zeitungszeugen veröffentlichen wollte.
Das bayerische Finanzministerium zog dagegen vor Gericht, erfolgreich. McGee musste die Passagen schwärzen. Das Zitierrecht decke diese Form des Abdrucks nicht, lautete die Begründung des Landgerichts München. Noch ist der Rechtsstreit allerdings nicht beendet, denn McGee legte Berufung ein. Söder zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass der Freistaat die Auseinandersetzung gewinnen werde. Nachgeben will Söder keinesfalls. "Bis 2015 werden wir bei unserer restriktiven Haltung bleiben", sagte er. Zu groß sei die Gefahr, dass das Buch in falsche Hände gerate, denn Neonazis bedienten sich gerne der Originalquelle. Von 2016 an kann Söder dabei nichts mehr kontrollieren.
Also will er das große Geschäft durch ein eigenes Angebot verhindern. Die kommentierte Ausgabe des Instituts für Zeitgeschichte solle internationale Maßstäbe setzen, sagte Söder, und auch in englischer Sprache erscheinen. Das Institut könne "eine wissenschaftlich exzellente, mit allen Betroffenen gut kommunizierte, kommerz- und ideologiefreie Bearbeitung garantieren", sagte auch Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP).
In welcher Auflage das Werk erscheinen und was es kosten soll, steht noch nicht fest. Die Edition ist noch nicht alles: Zudem soll die Landeszentrale für politische Bildung ein "niederschwelliges Angebot" für Schüler machen, also ausgewählte Texte für Schulen zusammenstellen. Auch Hitlers Parteitagsreden will Söder in einer Schriftenreihe kritisch kommentiert veröffentlichen lassen, um den Zusammenhang zwischen Hitlers Propagandaschrift und seinen späteren Reden herzustellen.