Eine Zeitung, für die Thomas Bernhard durch halb Mitteleuropa fährt, kann nicht ganz schlecht sein. Der Mozart-Liebhaber suchte seinerzeit nach einem Aufsatz über das Singspiel "Zaide", wie ihn nur die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) zu bringen versprach. Sie erscheint, wie der Name besagt, in der Schweiz und weiß schon deshalb besser über die Welt Bescheid als die meisten anderen. Ein Teil der Weltneugier gilt neuerdings dem kleinen Deutschland, in dessen Städten "die Mehrheitsgesellschaft ihrem Ende entgegensieht". So war ein Artikel des Frankfurter Wirtschaftskorrespondenten Michael Rasch in der Online-Ausgabe vom Dienstag überschrieben. Das ist kein ganz neuer Hut, war aber mit rassistischen Ingredienzien wie "Bio-Deutsche" und "Ur-Deutsche" so apokalyptisch aufgearbeitet, dass er in den sozialen Medien sofort heftig kommentiert wurde.
Nach einigen Stunden erhielt der Bericht eine redaktionelle Anmerkung. "Der Text wurde zunächst versehentlich in unredigierter Fassung veröffentlicht." Ein solches Eingeständnis ist ungewöhnlich. Redigiert wird in jeder Zeitungsredaktion; ohne den kollegialen Blick fänden sich noch viel mehr falsche Konjunktive und Billionen statt Milliarden im Blatt. Online muss es aber auch schnell gehen.
Der Artikel war ungelesen auf die Seite gestellt worden, "ein Fehler", wie Peter Rásonyi, der Leiter der Auslandsredaktion, auf Nachfrage erklärt. Erst nach den Kommentaren im Internet habe er sich den Artikel vorgenommen. Die "Bio-Deutschen" flogen raus, es verschwand der ganze letzte Absatz, in dem es finster dräute, "manche fühlen sich fremd im eigenen Land". Mit dem Begriff "Bio-Deutsche" kann Rásonyi nichts anfangen, in Zukunft will man sich vom Zeitdruck nicht mehr hindern lassen, im Notfall auf den Stopp-Knopf zu drücken. Die Zürcher ist doch eine grundsolide Zeitung.